Haarig, haarig!

Allen besorgten Lesern, die mich bereits in den Fängen des wütenden Mob vermuteten und als Dackelkiller einen Kopf kürzer geteert und gefedert  am nächsten Ast  baumeln sahen, sei versichert: Die Wogen sind geglättet. Der Hund meiner tagelangen Blog-Abstinenz liegt tatsächlich in meiner beruflichen Heimat, der Fischkonservenfabrik,  begraben. Die Produktionspläne für das letzte Quartal mussten ausgefeilt werden, ein Meeting jagte das nächste und eine neue Kaffeemaschine, mit der uns Chef Pfotenhauer überraschen wollte, gibt trotz Beschimpfungen und Fußtritten nur Nudelsuppe anstatt Cappuccino von sich. Es geht also rund in der Fabrik, und Heidi musste abends meinen verspannten Nacken massieren, während meine Füße in einem Eiswürfelbad ausdampften.

Trotz Stress und Schweiß gehöre ich zu jener Gattung der Abteilungsleiter, die peinlich genau auf ihr Äußeres achten – und dazu gehört auch die perfekte Abteilungsleiterfrisur, bei der die Nackenhaare keinen Millimeter über den Hemdkragen ragen dürfen. Und so knipste ich mir heute ein Stündchen ab, um den Friseursalon meines Vertrauens (Moderne Herrenhaarschnitte – für den Mann von Welt!) aufzusuchen, wo mir das adrette Fräulein Manuela seit Jahr und Tag das Haupthaar fassoniert. Außerdem gehöre ich zur Gattung des vielzitierten „Gewohnheitstiers“, sodass sich mir ausschließlich Manuela mit der Schere nähern darf und ich seit 7 Jahren und 4 Monaten auf dem 2. Stuhl links vom Eingang meinen Stammsitz habe. Dort habe ich, unterstützt von vier großformatigen Spiegeln, den besten Überblick über das Salon-Geschehen.

Als ich heute den Laden betrat, wäre ich fast stehenden Fußes wieder umgekehrt: Mein Platz war von einem bärtigen Langhaar-Hippie belegt, der sich offenbar von den 70er-Jahren verabschieden wollte. Ich wich entsetzt zurück, als mich Fräulein Manuela sanft am Ärmel packte und zu einem der anderen freien Stühle bugsierte. „Aber, aber…“ stammelte ich, doch die geschulte Friseurin hatte mich schon mit einem schwarzen Polyesterschurz ummantelt und ihr Werk begonnen. Seufzend ergab ich mich dem Schicksal, doch wohl war mir in meiner Haut auf diesem neuen Platz nicht. Um mich ein wenig abzulenken, erzählte ich ihr von meinem Aufenthalt in Schweden und wie ich geistesgegenwärtig den brutalen Angriff einer Taube in unserem Büro mittels Feueralarm abwenden konnte. Ich malte ihr gerade ein drastisches Bild der Vorkommnisse, als sie von einer heftigen Lachattacke gebeutelt wurde und mir mit der Schere ein Cut hinters linke Ohr rammte.

Als Entschädigung erhielt ich eine Tasse Kaffee und das Versprechen, nie wieder mit einem anderen Stuhl Vorlieb nehmen zu müssen. Der zweite Stuhl links neben dem Eingang trägt nun den Namen Moser. Meinen Vorschlag, dies auch mit einer kleinen gravierten Metallplakette offiziell zu machen, hat Manuela allerdings abgelehnt.

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