Fettnäpfchen

In den letzten Nächten sah man Frau Moser und mich über dampfenden Töpfen fuhrwerken, allerlei geheimnisvolle Zutaten kleinschneiden, Gewürze und Kräuter mörsern; wir rührten, gelierten, schmeckten ab und  füllten um. In unserer kleinen Hexenküche herrschte Hochbetrieb, und Adelheid schrieb in ihrer filigransten Schönschrift Zwetschgen-Bananen-Marmelade, Holunderblütengelee mit Ingwer, Himbeer-Rhabarber-Konfitüre und Marillen-Kakteenfeigen-Marmelade auf dekorative Selbstklebe-Etiketten. Mit diesen hausgemoserten süßen Köstlichkeiten verfolgte ich nämlich einen perfiden Plan: Damit wollte ich meinem  vorgesetzten Direktor Mag. Erwin Pfotenhauer ein ganz persönliches, liebevolles Geschenk zum 50. Wiegenfest bereiten und mich damit an die Spitze seiner Lieblingsabteilungsleiterliste setzen. Die Gehaltserhöhung ist längst überfällig.

Heute war es soweit. Pfotenhauer tat gerührt und überrascht, als meine Kollegen und Kolleginnen ihre Geburtstagsgaben darbrachten – handgeschnitzte Zigarrenkisten, ein Gutschein für einen Tandem-Fallschirmsprung, ein Candlelight-Dinner in einem Baumhaus-Hotel, russischen Kaviar auf Eis, ein Abonnement seiner Lieblingszeitschrift „Yacht Revue“ und allerhand Plunder mehr. Schließlich hatte ich meinen großen Auftritt. Stolz stellte ich eine golden lackierte Holzkiste auf den Tisch, darin schepperten fünf große Gläser selbstgemachter, ausgefallener Moser-Marmeladen. Meine Backen glänzten, als ich unserem Konservendirektor (als einziger!) Happy Birthday to you! sang und kundtat: „Sehr verehrter Herr Magister! Ein kleiner süßer Geburtstagsgruß von meiner Frau Adelheid und mir. Selbstgemacht!“

Pfotenhauer nahm ein Glas nach dem anderen aus der Kiste und beäugte es skeptisch. Schließlich räusperte er sich und sah mich fragend an: „Spekulieren Sie auf meinen Posten, Moser? Wenn ich das Zeug verputze, erlebe ich meinen nächsten Geburtstag nicht mehr – ich bin schwerer Diabetiker!“ Im Büro herrschte betretenes Schweigen. Eigentlich war Heidis Vorschlag, Pfotenhauer eine silberne Krawattennadel zu schenken, gar nicht so schlecht.

13 Kommentare zu „Fettnäpfchen“

  1. Die Geschichte ich klasse! Schon die Namen Pfotenhauer und Moser sind herrlich.
    Aufmerksam wurde ich durch Dein Bild. Es erinnerte mich an einen Kollegen und ehemaligen Offizier. Meine Hoffnung ihn gefunden zu haben verschwand nach dem Lesen Deiner Geschichten.
    Trotzdem würde ich ihm solche Geschichten zutrauen..

    Moser, mir gefällt Dein Humor sehr gut. Die Wortwahl ist genial.

    Ich grüße Dich
    Männe

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