Im Baumarkt

Ich gestehe: Bisher hielt ich mich für keinen besonders talentierten Heimwerker. Als Abteilungsleiter und betriebliche Stütze unserer Fischkonservenfabrik fühlte ich mich immer eher den Kopf- als den Handwerkern zugehörig. Außerdem kann ich kein Blut sehen. Doch dann ergab es sich, dass ich unfallfrei zwei neue Bilder an die Wohnzimmerwand nagelte, den verstopften Abfluss im Badezimmer reinigte und wenige Tage später erfolgreich das Lämpchen in der Dunstabzugshaube über unserem Herd auswechselte. Mit stolzgeschwellter Brust gockelte ich durch die Wohnung, klopfte mir den nicht vorhandenen Staub von der blauen Arbeitshose und prüfte mit Kennerblick alle Lichtschalter, indem ich sie mehrmals aus- und einknipste. Dazu gab ich den professionellen Kommentar „Mhhmmm“ ab. Heidis verwunderte und argwöhnische Blicke folgten mir. Schließlich holte ich den uralten Zollstock aus der nagelneuen, weil nie gebrauchten Werkzeugkiste und begann, irgendwelche imaginären Abstände auszumessen. Ich schrieb gerade ein paar fantasievolle Zahlen in mein Notizbuch, als meine liebe Adelheid meinte: „Nachdem du jetzt unter die Handwerker gegangen bist: Im Geräteschuppen könnten wir ein Regal für das ganze herumliegende Zeug gebrauchen. Da sieht´s ja aus wie bei Hempels unterm Sofa. Aber da bitten wir wohl besser Onkel Ludwig…“ Damit war mein Ehrgeiz geweckt und letzten Samstag suchte ich den Baumarkt auf. Ich würde ein pikobello Regal zimmern, quasi für die Ewigkeit. Ich freute mich jetzt schon auf Heidis bewundernde Blicke.

„Hallo, Sie! Wo kommt denn hier das Sägeblatt in die Stichsäge?“ schnappte ich mir eines der seltenen Verkäuferexemplare, das gerade durch die überdimensionalen Gänge schlich. „Können Sie mit einer Stichsäge umgehen?“ erhielt ich zur Antwort. „Aber hallo, na klar! Ich bin nicht so ein handwerklich ungeschickter Stadtmensch, wie Sie vielleicht glauben! Ich war als Bub sogar schon mal auf einem Bauernhof, da gab es immer was zu tun. Ich sag Ihnen was, ich hab mein Studium abgebrochen und bin in die Fischfabrik gegangen. Was sagen Sie nun?“ Der Baumarkt-Heini zuckte gelangweilt mit den Schultern. „Ob ich mit einer Stichsäge umgehen kann??!! Ha, man sagt, ich hätte die Stichsäge erfunden! Also, wo kommt denn jetzt dieses Sägeblatt rein?“ „In den Schwingschleifer kommt normalerweise überhaupt kein Sägeblatt“, grinste der Verkäufer süffisant, machte auf dem Absatz kehrt und stiefelte davon. Eingebildeter Fatzke.

Auf dem Heimweg nahm ich aus der Bäckerei zwei Stück Linzer Torte mit und machte es mir mit Heidi bei einer Tasse Kaffee auf dem Sofa gemütlich. „Wie geht es eigentlich Onkel Ludwig?“ fragte ich. „Wir sollten den alten Bastler mal wieder anrufen…“

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