Werte Fahrgäste!

Letzte Woche wollten es private Umstände, dass Adelheid unseren tomatenroten Flitzer benötigte und ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war. Heidis Geburtstag steht vor der Tür (dazu morgen mehr!), und so stand ich mit einer vollgepackten Tasche an der Bushaltestelle… und wartete. Wie das Leben so spielt, hatte ich das öffentliche Gefährt um ein paar Minuten verpasst und laut Fahrplanaushang war mit dem nächsten Bus erst in 22 Minuten zu rechnen. Von einer kleinen, nahegelegenen Imbissbude wehte verführerischer Knoblauchduft ins Moser´sche Riechorgan und ich merkte, dass seit dem Frühstückskaffee mit Guglhupf schon einige Stunden vergangen waren. Mein Magen knurrte wie ein Pittbullterrier angesichts eines besoffenen Weihnachtsmanns.

Die Zeitspanne schien günstig, mir noch rasch ein paar fettige Kalorien zuzuführen – und Pepi´s Wurststadl lockte mit frischem Langos! Der in heißem Öl gebackene Hefeteigfladen, bestrichen mit reichlich Knoblauchöl, zählt seit frühen Kindertagen zu Mosers Lieblingsgenüssen. Allerdings hatte ich zwei Faktoren nicht einkalkuliert: Erstens ist der dicke Herr Pepi ein äußerst phlegmatischer Mann, der jeden Handgriff mit größter Bedacht ausführt. Und zweitens war er mit zwei älteren Damen in einen politischen Diskurs über die Kandidaten der Bundespräsidentenwahl vertieft. Aufgeregt warf man sich Argumente an den Kopf, und als ich ein schüchternes „Entschuldigung, aber ich hätte es eilig. Mein Bus…“ in die Runde warf, sah mich Herr Pepi aus kleinen Schweinsäuglein missbilligend an und knurrte freundlich: „Nur net hudeln*), vom hudeln kumman die Kinder…“

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich erreichte den Bus noch mit Müh und Not, zwängte mich mit Heidis Geschenken und dem fettriefenden Langos durch den Gang und ließ mich schließlich auf einen der wenigen freien Sitzplätze fallen. Ich nahm eine Mundvoll von dem duftenden Knoblauchfladen und sah freundlich in die Runde. Doch irgendwie schienen die Fahrgäste meinen Snack nicht zu goutieren. Ich erntete stechende Blicke inklusive Kopfschütteln, ein empörter Pensionist mit Hut meckerte: „Frechheit!“ und sah dabei aus dem Fenster. Meine junge Sitznachbarin klappte ihr Smartphone zu und flüchtete in die letzte Reihe. Die Situation war mir extrem peinlich, wie meine roten Ohren belegten, aber eigentlich war ja der gemächliche Herr Pepi schuld.

Warum ich Ihnen diese kleine Geschichte erzähle? Gestern war ich wieder mit dem Bus unterwegs. Wo zuvor ein kleines Plakat für das Pro Jugendticket warb, klebte nun ein Computerausdruck, der mit dicken Lettern verkündete: WERTE FAHRGÄSTE! DAS ESSEN UND TRINKEN IM BUS IST AUSDRÜCKLICH UNTERSAGT! Darunter tummelten sich in einem Verbotszeichen herzige Cliparts von einer Eistüte, einer Pappschale mit Pommes, einem Hamburger, einer Limo-Dose und einer Flasche Bier. Kein Langos. Also war ich mir keiner Schuld bewusst und ich roch selig an Heidis roten Geburtstagsrosen.

*) hudeln = wienerisch für „hasten, drängen, es eilig haben“

11 Kommentare zu „Werte Fahrgäste!“

  1. Lieber Herr Moser!
    Der Knoblauchfladen duftet bis hierher. Aber von mir ernten Sie keineswegs missbilligende Blicke. Im Gegenteil. Wenns wieder amol in da Stadt sin, bringens ma doch a Langos mit, bitte danke! 🙂 Lecker!
    Herzliche Grüße von der hungrigen Alm
    Mallybeau

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      1. Eine gute Frage! Als Kuh habe ich sie noch nie verlassen und kenne nur die Almwiesen. Ich würde die Post vorziehen. Wenn der Postbote überhaupt bereit ist, das duftende Packerl zu transportieren 🙂

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  2. Junge, Junge, Herr Moser, Sie sind wahrlich ein harter Brocken, der nicht begreifen will, wann es genug ist mit dem ungustiösen Verhalten. Selbst ein Schild ist Ihnen zuwenig.

    Ich mag es auch nicht, wenn jemand meint, er kann einen Autobus kurzerhand in sein privates Esszimmer ummodeln, nur weil er zufällig gerade dort im Fond sitzt und nicht zu Hause. Oder der da meint, er ist in einer Telefonzelle mit Publikumsanschluss.

    Jetzt haben Sie mich schon wieder enttäuscht! Machen Sie das absichtlich?

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      1. Gern geschehen! Ein „Gefällt-mir“-Knopf ist schneller gedrückt, als ein Kommentar geschrieben 😉 – wenn man so viel Lesestoff aufholen muss wie ich. Durch meine Küchenaktionen und viel Arbeit habe ich die Blog-Nachbarschaft vernachlässigt.

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