Glück gehabt!

Als ich heute Morgen der Dusche entstieg, fehlte der flauschige Badezimmervorleger. Heidi hatte das nützliche Teil zwecks Reinigung in die Waschmaschine gestopft, und ich kam mit meinen nassen Füßchen auf den glatten Fliesen ins Schleudern. Ich steuerte mit rudernden Armen entgegen, doch die Schwerkraft behielt die Oberhand und ich landete auf meinem nackten Arsch. Der Schreck war groß, der Schmerz aber erträglich – es hätte weit schlimmer kommen können. Nur ein schmerzender Steiß, kein Oberschenkelhalsbruch und kein gebrochenes Genick. Glück gehabt.

In den frühen Morgenstunden herrschte in weiten Teilen Wiens gefährliche Straßenglätte und ich steuerte unseren tomatenroten Spanier wie auf rohen Eiern zur Fischkonservenfabrik. Der Wackeldackel auf der rückwärtigen Hutablage schien meine konservative Fahrweise gutzuheißen, denn er nickte bestätigend mit dem Kopf. Wenige Kilometer später geriet ich in einen Stau, dessen Ursache sich alsbald offenbarte: Drei Autos waren, wohl dem Glatteis und zu schneller Fahrweise geschuldet, ineinander gekracht. Blaulicht, wild gestikulierende Menschen, Polizeiunformen, verbeultes Blech. „Siehst du Egon“, rief ich zu unserem Wackeldackel nach hinten. „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!“ Egon nickte. Glück gehabt.

Ein wenig zu spät, jedoch sicher und unverletzt kam ich an meinem Arbeitsplatz an. Wie jeden Tag vollzog ich mein morgendliches Ritual: Mantel am Kleiderbügel aufhängen, Schal in den rechten und Mütze in den linken Ärmel stopfen, Handschuhe in die Außentaschen. Damit nichts vergessen wird oder gar verloren geht. Das ist Mama Mosers alte Schule. Danach Hände waschen und ein prüfender Blick in den Spiegel, ob die Abteilungsleiterfrisur auch untadelig sitzt. Anschließend Computer einschalten und während des Hochfahrens Kaffee und Jausenbrote aus der Aktentasche holen. „Sch….!“ Ich biss mir auf die Zunge, um das schlimme Wort in Zaum zu halten. Tatsächlich fanden sich in der Tasche zwar meine geliebten Salamibrote, jedoch keine Thermoskanne mit Heidis frisch gebrühtem Kaffee. In der morgendlichen Hektik vergessen. „Alles klar?“ fragte Cerny unschuldig und polierte seine dicken, beschlagenen Brillengläser mit Brillenputztüchern der Marke Alles klar!. Er fand das wohl witzig. „Nein, Kaffee vergessen“, gab ich verärgert zurück. Es blieb mir nichts anderes übrig, als dem verhassten Kaffeeautomaten 70 Cent zu opfern. Wie der eine oder andere Leser vielleicht noch erinnert, stehe ich mit dieser vermaledeiten Maschine auf Kriegsfuß, da sie stets ein anderes Getränk ausspuckt als von mir geordert. Seufzend warf ich die Münzen ein, drückte auf das Cappuccino-Knöpfchen und betete, dass mich der heimtückische Apparat diesmal nicht mit heißer Schokolade oder Nudelsuppe verhöhnt. Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder und im Ausgabeschacht dampfte tatsächlich ein Becher mit Kaffee samt Milchschaum. Glück gehabt!

Unterwegs zum Kopierraum lief mir nachmittags Direktor Pfotenhauer über den Weg. Mein peinlicher Auftritt während der Betriebsweihnachtsfeier war mir noch in übler Erinnerung, sodass ich mit gesenktem Haupt rasch an meinem Boss vorbeihuschen wollte. Ich murmelte „Guten Tag“, als mich seine riesige Pranke an der Schulter packte. „Moser!“, lächelte er jovial. „Ihre Idee mit der vegetarischen Produktlinie macht sich, die ersten Tests waren durchaus vielversprechend. Weiter so!“ Erleichtert nahm ich die gute Nachricht entgegen und dienerte: „Danke vielmals, Herr Magister.“ Glück gehabt!

Auf dem Heimweg lauschte ich im Autoradio einer Reportage über den angeblichen Unglückstag Freitag, der 13. Ich lächelte milde. Für mich war er eine einzige Glückssträhne gewesen. Einer spontanen Eingebung folgend hielt ich bei einer sogenannten „Glücksspielannahmestelle“ und investierte 11,50 € in einen Lottoschein. Wenn schon, denn schon. Ich plauderte und scherzte noch ein wenig mit der freundlichen Lotto-Dame, und machte mich sogar ein wenig über den Aberglauben lustig. „Viel Glück!“ wünschte sie mir und ich eilte zurück zum Auto.

Hinter dem Scheibenwischer klemmte ein Strafmandat über 35,- €, weil ich das Fahrzeug ohne gültigen Parkschein in einer Kurzparkzone abgestellt hatte. Ein teurer Lottoschein. Aber wie konnte es anders sein, schließlich war heute Freitag, der 13.

10 Kommentare zu „Glück gehabt!“

  1. Lieber Herr Moser!
    Das Strafmandat haben Sie sicherlich bald wieder abbezahlt. Spätestens wenn die Gewinnausschüttung von der Lottozentrale bekanntgegeben wird und Sie als der Hauptgewinner feststehen! Bei so viel Glück gratuliere ich schon einmal vorab dem künftigen Millionär 🙂
    Herzliche Grüße aus den Sturmböen
    Mallybeau

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  2. Ein wunderbarer Bogen, den sie hier beschreiben, verehrter Moser, wie alles nur Glück ist und Freitag der 13. damit in den Hintergrund tritt, ein Pech aber an diesem Tag macht FAST alles vorherige Glück zunichte, weil es ja eben Freitag, 13. ist 😉
    herzlichst
    Ulli

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  3. Gestern morgen bin ich auch mehr gerutscht als gefahren. selbst der Winterdienst kam nicht mehr hinterher. Und mittags war nichts mehr. So beginnt der Freitag der 13. Wirklich gut geschrieben vom Erzählfluss.

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