Dinner 4 four

Gestern Abend waren wir mit einem befreundeten, richtiger gesagt: flüchtig bekannten Ehepaar zum Essen verabredet. Wir hatten Lilly und Hubert schon gut zwei Jahre nicht mehr gesehen. Doch vor ein paar Tagen kreuzte der Zufall die Wege meiner Adelheid und besagter Lilly in einer Apotheke. Man kam ins Plaudern, tauschte sich über frühere Zeiten aus und unvorsichtigerweise nahm Heidi den Vorschlag an, sich demnächst in einem Restaurant zum gemeinsamen Abendessen zu treffen.

Hully, wie ich Hubert und Lilly in Anlehnung an „Brangelina“ insgeheim nenne, sahen etwas blass und abgespannt aus, versprühten jedoch übertrieben gute Laune. Doch schon die Getränkebestellung hätte mir zu denken geben sollen. Lilly orderte mit einem milden Lächeln, wie es sonst nur die Zeugen Jehovas an den Tag legen, ein veganes Mineralwasser ohne Kohlensäure. Hubert wollte ein Glas frisch gepressten Orangensaft, aber nur „wenn die Orangen aus biologischem Anbau stammen“. Ich warf Heidi einen vielsagenden Blick zu und bestellte ein kleines Bier, meine Frau gab einem Gläschen Weißwein, trocken, den Vorzug. „Ihr trinkt Alkohol?“ frug die ungeschminkte Lilly in einem ungläubigen Tonfall, der sich wie „Ihr schnupft Kokain?“ anhörte. Ich konterte mit einem unbeschwerten „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren!“ „Wir trinken schon seit Silvester 2015 nichts mehr“, verkündete Lilly. „Überhaupt leben wir jetzt sehr gesund und gehen auch drei Mal pro Woche ins Fitness-Studio!“ „Duuu auch?“ wandte ich mich erstaunt an Hubert, den ich als durchaus normalen, lebenslustigen Kerl in Erinnerung hatte. So vom Typ „kein Kostverächter“. Hubert nickte bescheiden und studierte den Zustand seiner Fingernägel. „Er hat schon 6 Kilo abgenommen, obwohl er das Rauchen aufgegeben hat“, informierte uns Lilly. Hubert nippte an seinem biologischen Orangensaft.

Dann trat der Kellner an unseren Tisch, um die Essensbestellung aufzunehmen. Heidi wählte geschmorte Ochsenbäckchen mit hausgemachten Spätzle, ich nahm das Filetsteak, medium gebraten, mit Kartoffelkroketten: „Das Frühlingsgemüse können Sie weglassen, legen Sie dafür ein paar Kroketten mehr auf den Teller. Danke!“  Lilly rümpfte die Nase und bestellte etwas, das wie glutenfreier Kicherkürbis auf ayurvedischem Kitchari klang, aber beschwören kann ich das nicht. Hubert entschlüpfte ein kleiner Seufzer, als er dem Ober veganes Soja-Steak mit Gewürzreis diktierte. Ich dachte: „Jetzt ist der auch schon so eine Gemüseschwuchtel!“, hütete mich aber es laut auszusprechen. Schließlich waren Damen anwesend. Stattdessen gab ich einen kleinen Witz zum Besten: „Wie nennt man einen Veganer mit Durchfall? – Smoothie-Maker!!“ Heidi trat mir umgehend aufs Schienbein, Lilly schüttelte den Kopf, nur Hubert lachte kurz auf, hatte sich aber nach einem stechenden Blick seiner Gattin sofort wieder im Griff.

Mit den Worten „Wir ernähren uns schon seit elf Monaten vegetarisch, meistens sogar vegan“ begann Lilly einen gähnend langweiligen Vortrag über die Vorzüge der fleischlosen Lebensweise, über Massentierhaltung und Hühner-KZs. Ich hatte sie im Verdacht, die Menschheit in grundgütige Vegetarier und blutrünstige Fleischfresser einzuteilen. Langsam begann mir diese Frau den Abend und die Vorfreude auf mein Rindersteak zu vermiesen. Es war an der Zeit, entgegenzusteuern. „Du hast Recht, liebe Lilly“, sagte ich und bedeutete dem Kellner, mir noch ein Bier zu bringen. „Vegetarier sind absolut sympathisch, intelligent, sensibel, musisch und tierlieb. Nur in absoluten Ausnahmefällen zettelt der gemeine Vegetarier schon mal einen Weltkrieg an. Hitler war ja Pflanzenfresser und ein richtiger Tiernarr! Ihr kennt sicher die Wochenschaubilder, wo er am Obersalzberg mit seinem Schäferhund Blondie herumtollt. Und malen konnte er auch, der Adolf.“

Rasch lenkte meine kluge Heidi auf unverfängliche Themen um, empörte sich über Trump und seine Fake News, und jammerte über die gestiegenen Heizkosten im bitterkalten Januar. Trotzdem blieben Hully merkwürdig einsilbig. Nur Hubert schielte manchmal unauffällig auf mein zartrosa Filetsteak, während er lustlos in seinem Gewürzreis stocherte. Er und seine kämpferische Frau tappten selbstverständlich auch nicht in die weiße Industriezucker-Falle und verzichteten auf Nachtisch. Heidi nippte an einem heißen Mokka, ich versuchte die Palatschinken mit Marillenmarmelade. Mit vollen Backen kauend bot ich Lilly an, ein Stück zu probieren. Sie schüttelte ihre angegraute, ungefärbte Naturfrisur zu einem deutlichen Nein. Auch mein „Ist rein vegetarisch!“ konnte sie nicht beeindrucken.

Dann lösten wir die Tafel auf und logen uns vor, den tollen Abend möglichst bald zu wiederholen. Am Weg zum Auto lachte Heidi: „Moser, das war ja echt peinlich!“ „Ach Heidi“, antwortete ich, „richtig peinlich wäre es geworden, hätte ich von meiner Idee der fischlosen, vegetarischen Fischkonserven erzählt.“

18 Kommentare zu „Dinner 4 four“

  1. Lieber Herr Moser!

    Ich vermute, dass es nicht mehr lange dauert, bis Hully nicht nur Fleisch und Gemüse trennen. Bei deren guter Laune dürfte á la Brangelina auch bald eine Trennung von Tisch und Bett ins Haus stehen und dann können Sie wieder fröhlich mit Hubert und Lilly lachen 🙂

    Herzliche Grüße aus der Sojaküche
    Mallybeau

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  2. Naja, ich esse auch vegan, allerdings mit Genuss und ohne erhobenen Zeigefinger; auch wenn die gute Lilly mit ihrem Monolog inhaltlich ganz recht hatte, scheint sie ja wohl dem Veganismus einen Bärendienst erwiesen zu haben. Da versuche ich, eher subtil und durch „Vorbildwirkung“ zu zeigen, dass vegan leben durch aus auch Freude und eine Menge Genuss bereiten kann. Das Bekanntenpärchen klang nicht so recht nach Lebensfreude und ich möchte einen ganzen Satz Pinsel darauf wetten, dass der gute Hubert heimlich bei jeder Gelegenheit alles, was mal lebendig war verspeiste.
    Und über VeganerInnenwitze kann ich auch lachen. Smoothiemaker – den kannte ich noch nicht und werde ihn heute Abend meinem Partner zum Besten geben.
    Herzliche Grüße

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  3. Köstlich – geschrieben. 😉
    Mein Gott, wie sich nannte Leute aber auch geben!? So, wie die sich haben, hält es nicht lange an (auch bei der Legosteinfrisur nicht…) 😁😂. Denn wenn man von gewissen Dingen überzeugt ist und es in seine Lebensweise integriert hat, muss man nicht solch ein TARA darum machen oder andere Menschen abwerten oder missionieren wollen.

    Aber erheiternd ist es wenigstens. 😀

    Beste Grüße

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  4. Beim Titel fiel mir spontan Loriots Kosakenzipfel ein. An einer ähnlichen Geschichte vegane vs. Vollwertkost arbeite ich auch gerade. Die muss ich jetzt erst einmal ruhen lassen, um mich nicht beeinflussen zu lassen. Abschreiben will ich nicht.
    Sie haben das herrlich geschrieben, Herr Moser!

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