Spiderman

„Pfotenhauer ist die Stradivari unter den Arschgeigen!“ Ich war stinksauer und stocherte wütend in den Vollkornspaghetti mit Gemüsesugo. Heidi reichte mir etwas frisch geriebenen Parmesan, um mich zu besänftigen. „Was ist passiert?“ wollte sie wissen. „Ach, der feine Herr Direktor hat sich wieder mal einen neuen Protzschlitten zugelegt. Jetzt, wo er seiner Frau Svetlana den hochbezahlten Posten der Marketingleiterin zugeschustert hat, haben es die Pfotenhauers ja dicke! Eine Villa in Pötzleinsdorf, ein Dienst-Mercedes und ein Kindermädchen reichen wohl noch nicht.“

Heute Morgen war der Big Boss in einem nagelneuen Audi A8 TDI Quattro auf den Firmenparkplatz gebraust. Mythosschwarz metallic. Während ich unseren tomatenroten, frisch sommerbereiften Spanier absperrte, ließ er seine Wagentür satt und lautstark ins Schloss fallen. „Morgen Moser!“ rief er großkotzig in meine Richtung. „Wie gefällt Ihnen mein neues Spielzeug?“ Ich hob die Hand halbherzig zum Gruß und nickte. „262 PS!“ trompetete der Magister und verschwand grinsend in der Drehtür. Im Lift begegnete mir unsere ukrainische Putzperle Editha. „Wer wird Millionär? Präsident Pfotenchauer!“ schnaubte sie verächtlich und rollte mit den Augen. „Vorsprung durch Technik. Fast und furios. Jetzt Werbung, dann Frihstickspause!“ Sie entschwand Richtung Umkleideraum und pfiff dabei Gib Gas, ich will Spaß. Edithas Deutschkenntnisse werden dank intensiven Radio- und Fernsehkonsums immer besser.

Heidi tätschelte beruhigend meinen Unterarm, denn ich war noch immer auf 180 und redete mich förmlich in Rage: „Wie soll ich in dieser stinkigen Fischbude jemals nach oben kommen, während dieser Geldsack seine eigene Frau protegiert und Millionen scheffelt? Wir kleinen Angestellten sind dem kaltherzigen Arsch doch völlig egal…“ Ich schob die Vollkornspaghetti beiseite. „Leider ist diese Welt nicht gerecht“, seufzte Heidi. „Wenn man in der heutigen Zeit etwas erreichen will, muss man wohl egoistisch, hart und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sein.“ Gedankenverloren stierte ich vor mich hin, als meine fürsorgliche Adelheid meinte: „Moser, vielleicht solltest du auch öfter deine Ellbogen einsetzen, Intrigen schmieden, Härte zeigen und nur an dich denken! Nur die Harten kommen in den Garten!“ Vielleicht hatte sie ja recht, ich war viel zu gutmütig. Ich sollte mal tüchtig auf den Tisch hauen.

Plötzlich bemerkte Heidi eine mittelgroße Spinne, die sich an der Wand Richtung Bücherregal vorarbeitete. Meine Frau ist zwar nicht arachnophob, doch für die Entfernung der Krabbler bin ich zuständig. Heidi schickte mir einen flehenden Blick, ich schlüpfte theatralisch in mein imaginäres Spiderman-Kostüm und schnappte mir eine Illustrierte.

Behutsam schob ich das Tierchen auf die Titelseite des Heftes, wo es nun Sarah Lombardi über die C-prominente Nase lief. Mit meiner zweiten Hand baute ich einen Schutzwall, damit es nicht abstürzte, und tastete mich langsam zur Terrassentür. Heidi öffnete, und gemeinsam entließen wir den ungebetenen Hausgast in die freie Natur. Zögernd erkundete die Spinne die neue Umgebung, ehe sie achtbeinig zwischen Blättern und Gesträuch verschwand. „Lauf, kleiner Forrest, lauf!“ rief ich ihr hinterher. Heidi sah mich an und lächelte: „Vergiss mein Gerede von Ellbogen, Härte und Intrigen. Bleib einfach so, wie du bist!“

16 Kommentare zu „Spiderman“

  1. Lieber Herr Moser!

    Wunderbare Methode. Wenn am nächsten Arbeitstag der Großkotz Pfotenhauer mit seiner Karosse anrollt, schieben Sie klammheimlich eine Illustrierte unter sein Auto und schütteln ihn in die Abfalltonnen. Die werte Editha kann den Müll dann ja gleich entsorgen 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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  2. diese Art der Entfernung von Krabbeltieren findet bei uns in der gleichen Form statt….schon das Bild machte mir eine Gänsehaut…schöne Geschichte:-)

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  3. So viel Humor, doch auch Nachdenkliches für mich heute, lieber Moser.
    Heidi hat Recht: Mit Ehrlichkeit kommt man nicht zu solchen pompösen Schlitten und auch nicht zu Glanz und Gloria. Wer will heute schon „Weichgespülte“ haben?
    Heidi … und ich habe gleich Pipi in den Augen vor Rührung. Ehrlich jetzt! Ist kein Flunkern!
    Die Spinne ist heute für mich nur „Beiwerk“. Danke für die Erheiterungen und für die Hilfe, dass meine Äuglein ooch ma bissel Feuchtigkeit haben! 😉

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  4. Lieber Herr Moser, Sie müssen sich nicht über PS-Zahlen und schnittige Linien Ihres Wagens definieren, profilieren und was weiß ich noch. Hauptsache, es fährt zuverlässig und kann auch ein paar Baumarkteinkäufe transportieren. Heidi ist eine kluge Frau, Sie beide passen wunderbar zusammen! Apropos, lockten die Zeugen Jehovas oder der Cerny mal wieder mit unmoralischen Essensangeboten oder wie überstehen Sie das alles bis Ostern?

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