Aufwärts

Als ich heute pünktlich um 8:30 die Empfangshalle des stattlichen Fischfabrikgebäudes betrat, eilte mir bereits unsere ukrainische Putzdame Editha besenschwingend entgegen. „Chör mal, wer da hämmert!“ rief sie in ihrem besten Fernseh- und Radiodeutsch. Tatsächlich. Die Aufzugsmonteure hatten Wort gehalten und waren zur Reparatur des defekten Lifts erschienen. Heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Ich sah zwei Blaumänner im Schacht herumturnen und mit fachmännisch ölverschmierten Händen an dicken Seilen und riesigen Zahnrädern hantieren. „Wir sind gerettet!“ sagte ich zu Editha und drückte meine Aktentasche, mich selig wiegend, an die Brust. „Wege zum Glick!“ bestätigte sie. Wir sahen den braven Handwerkern ein wenig bei der Arbeit zu, und feuerten sie mit motivierenden Worten an: „Hoppauf! Bravo! Weiter so!“ Schließlich kam sogar noch ein Lehrling hinzu, der den Monteuren das erforderliche Werkzeug reichte. „Two and a half Men“ nickte Editha anerkennend.

„Wie lange wird es denn noch dauern? Nur so ungefähr“, wollte ich wissen. Aus dem Dunkel des Schachtes tauchten zwei Augen auf und der zugehörige Mund bellte wienerisch: „Zauban kema ned!“ (Wir sind der Zauberei nicht mächtig!) „Nein, nein“ beschwichtigte ich die fleißigen Aufzugsexperten. „Aber wenn es nur eine halbe Stunde dauert, würde ich inzwischen in die Kantine auf einen Kaffee…“ „Host ned ghert, Oida? (Haben Sie mich nicht verstanden, Herr Abteilungsleiter?) Des dauert.“ Auf der Brusttasche seiner Arbeitsjacke war das Firmenlogo OTIS aufgenäht. „Editha“, wandte ich mich an unsere Reinigungsfachkraft, „wussten Sie eigentlich, dass wir diese traumhafte, energiesparende Erfindung einem gewissen Herrn Elisha Graves Otis verdanken? Er präsentierte im Jahr 1853 seinen absturzsicheren Personenaufzug erstmals der Öffentlichkeit. Danach trat der Fahrstuhl den Siegeszug um die Welt an…“ Die Perle aus der Ukraine verstand wohl nur Bahnhof, sah mich fragend an und verlangte in Glücksrad-Manier: „Ich kaufe A wie Aufzug!“ Damit konnte ich nicht dienen und Editha zog mit den Worten „Jetzt Werbung. Dann Frihstickspause.“ von dannen. Sie pfiff „Love lift me up where we belong“ von Joe Cocker und ich vermute, sie steuerte die Herrentoilette an, um zur Feier des Tages einen Joint durchzuziehen.

Ich musste einsehen, dass die Reparatur wohl noch ein paar Stunden in Anspruch nehmen würde, und machte mich seufzend über die Treppe auf den Weg in mein Büro im 1. Stock. Auf halbem Weg sprintete Dr. Cerny an mir vorbei, großspurig zwei Stufen auf einmal nehmend. „Guten Morgen Moser!“ rief er, kein bisschen außer Atem. Hat wohl unterm Tarzan-Poster geschlafen, der alte Angeber.

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