Surprise: Guatemala

Wie Sie sich vorstellen können, war nicht nur meine Lesergefolgschaft von Svetlanas Ankündigung einer Incentive-Reise nach Guatemala überrascht. Auch mein unmittelbares Umfeld reagierte einigermaßen erstaunt, wenn auch ganz unterschiedlich in der ihr eigenen Art. Von drei der Reaktionen möchte ich Ihnen heute näher berichten.

Editha: Als ich Lanas Büro verließ, hätte ich beinahe unsere ukrainische Putzfrau Editha umgerannt. Sie hatte offenbar unser vertrauliches Vier-Augen- zu einem Sechs-Ohren-Gespräch gemacht und ganz unverhohlen an der Tür gelauscht. Ich konnte es ihr nicht mal zum Vorwurf machen, spionierte sie doch in meinem Auftrag in der Chefetage. „Wir fahren Urlaub, ja?“ flüsterte sie sichtlich erregt und schüttelte dabei eine Sprühflasche mit Glasreiniger. „Wohin? Ich nicht verstanden, schlechter Empfang. Guadeloupe?  Guantanamo? Guacamole?“ „Nein Editha, Guatemala. Und Sie fahren nicht mit, ist nur für leitende Angestellte, für Chefs in Büro. Verstehen?“ „Ach so, nur A-Team“, zeigte sich die treue Seele enttäuscht und stellte umgehend das Flaschengeschüttel ein. „Präsident Pfotenchauer mit Shopping Queen, Buchhaltung, Personalbiro, Moser und Cerny Goodbye Deutschland?“ „Ja, aber eher Goodbye Austria, und wir wandern auch nicht aus. Ist nur Incentive-Reise für eine Woche“, erklärte ich ihr. Editha wurde nachdenklich: „Intensiv-Reise? Wie intensiv? Was machen in Guakemola? Ficki ficki??“ „Um Gottes Willen Editha!“ rief ich und legte ihr rasch meine Hand auf den Mund. Mit möglichst einfachen Worten versuchte ich, ihr das Belohnungs- und Motivationsprinzip eines Incentives zu erklären. „Warum nur Leite von Biro? Editha auch besser und schneller putzt nach Intensiv-Reise!“ resümierte sie treffend mit hängenden Mundwinkeln. Darauf wusste ich keine Antwort und verschwand in mein Büro, um Cerny die Nachricht zu überbringen.

Cerny  Der verdächtig unverdächtige Kollege wetzte bereits ungeduldig auf seinem Drehstuhl hin und her, als ich mit steinernem Pokerface die Stätte unseres Wirkens betrat. „Was war bei der Pfotenhauer?“ wollte er gleich auf den letzten Stand gebracht werden. „Was hat die Alte vor?“ Unruhig schwammen seine Augen hinter den dicken Brillengläsern auf und ab. Ein sicheres Zeichen für seine Nervosität. Ich genoss noch einen Augenblick meinen Informationsvorsprung, ehe ich beiläufig sagte: „Wir werden bei 80% Luftfeuchtigkeit im Dschungel Guatemalas auf alte Steinhaufen steigen, um den Teamgeist zu stärken.“ „Ich… ich ver… ich verstehe nicht“, stotterte Cerny. „Das glaube ich“, gab ich zurück. „Die verehrte Geschäftsleitung lädt uns zu einer Incentive-Reise nach Guatemala. Teambuilding, Motivation und so Kram.“ Cerny blieb die Kinnlade offen: „Alter Verwalter!“ „Die können das ja als Werbeaufwand von der Steuer abschreiben“, relativierte ich die scheinbare Großzügigkeit der Pfotenhauers. „Guatemala!“ schüttelte Cerny noch immer ungläubig den Kopf. „Wahnsinn.“ Ich hoffe, das Reisebudget reicht für Einzelzimmer, denn eine Woche im Doppelbett mit dem Chaoten würden meine Nerven nicht durchstehen.

Heidi  Als ich nach diesem ereignisreichen Tag in unser idyllisches Reihenhäuschen zurückkehrte, wartete Adelheid bereits mit dem Abendessen auf den hungrigen Moser. Ich hatte mich auf deftige Wiener Hausmannskost gefreut, doch just an diesem Tag entdeckte Heidi ihre kulinarische Experimentierfreude und servierte mexikanisch Angehauchtes. Soft Tortillas, mariniertes Hühnerfleisch, schwarze Bohnen, Salsa picante und Guacamole. Welch Ironie des Schicksals! Ich hatte im Internet bereits gegoogelt, dass die Küche Guatemalas stark vom Nachbarland Mexiko geprägt ist und häufig Tortillas, Tacos und Enchiladas auf den Tisch kommen. „Du weißt es also schon und willst mich sanft auf mein Schicksal vorbereiten“ kommentierte ich Heidis Bemühungen resigniert. „Was weiß ich und welches Schicksal?“ frug mein Weib unschuldig. Das mexikanische Dinner war also purer Zufall. Ich goss mir einen Tequila ein und berichtete in dunkelstem Schwarz über die bevorstehende Reise ins Land der bunten Farben. „Ich wollte eigentlich nach Venedig oder Florenz, aber die Pfotenhauer besteht auf Zentralamerika. Weiß der Geier…“ schloss ich meine Ausführungen. „Ach wie schön!“ jubelte Heidi und fiel mir um den Hals. „Deine Glückssträhne geht also weiter. Eine Reise nach Guatemala, für lau!“ „Du weißt aber schon, dass Guatemala nicht ums Eck ist. 16 Stunden in einer fliegenden Konservenbüchse. Und wenn wir abstürzen, dann nicht in einem zivilisierten Land mit Krankenhausanbindung, sondern mitten in einem dampfenden Dschungel voll gefräßiger Viecher. Statt dir, geliebte Heidi, wird Cerny neben mir ins Gras beißen. Ein schrecklicher Gedanke. So habe ich mir mein Ende nicht vorgestellt.“ „Niemand wird ins Gras beißen, Moser!“ beruhigte sie mich und schaufelte mir noch einen Berg schwarze Bohnen auf den Teller. „Wann geht es los?“ „Wann ist Pfingsten?“ „Am 4. Juni!“ Ich erschrak. „Das ist in dreieinhalb Wochen, Heidi! Und ich bin nicht einmal geimpft!“ Ich schob den Teller zur Seite, denn eigentlich vertrage ich keine Bohnen. „Essen die in Guatemala nicht auch Meerschweinchen?“ frug ich meine allwissende Heidi. „Nein, nur in Peru.“ Egal. Montezumas Rache wird furchtbar sein.

22 Kommentare zu „Surprise: Guatemala“

  1. Das Nagerchen auf dem Teller ist doch hoffentlich nicht das was ich vermute und eigentlich wirklich nur in Peru gefuttert wird gelle!? 😯
    Ziemlich abenteuerlich so eine weite Reise und hoffentlich wird es auch so interessant wie hier wieder so herrlich beschriebenes! 😀
    LG

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  2. Lieber Herr Moser!

    Ich würde das positiv sehen. Vielleicht entdecken Sie in Guatemala eine vor Jahrhunderten verschollene Kultur österreichischer Auswanderer und stoßen hierbei möglicherweise sogar auf einen Ihrer Vorfahren 🙂

    Herzliche Grüße … noch gen Wien
    Mallybeau

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