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Der Wiener Journalist Gerry Weichselbaum ist das Mastermind hinter den vergnüglichen Abenteuern des Herrn Moser und seiner Adelheid. In unregelmäßigen Abständen werden auf diesem Blog auch diverse Kurzgeschichten publiziert.

Auferstehung

Herr Moser: Alltägliches und Skurriles aus dem Leben des Abteilungsleiters einer Fischkonservenfabrik.

Nein meine lieben Hasen, Hühner, Lämmer und Leser – am heutigen Ostersonntag ist zwar wahrscheinlich der eine oder andere an einer Kreuzung gestorben, doch diesen bedauernswerten Osterreiseverkehrsopfern gedenken wir heute nicht. Zumindest nicht vorrangig(sic!). Wir besinnen uns vielmehr auf den großartigen König der Juden Jesus von Nazareth, kurz INRI genannt, der vom geifernden Mob und seinem schizophrenen Statthalter Pontius Pilatus ans hölzerne Kreuz genagelt wurde, wo er zunächst beschwingt Allways look on the bright side pfiff, ehe er seine Seele dem guten alten Himmelvater empfahl und – o Wunder – drei Tage später von den Toten auferstand. Der Typ war so megacool, so ein geiler Superstar, dass ihm mein talentierter Freund Andrew Lloyd sogar ein fetziges Hippie-Musical widmete. In meinem Kinderzimmer hing in den 70er Jahren ein Poster des langhaarigen und bärtigen Pink-Floyd-Gitarristen David Gilmour, von dem meine Großmutter selig stets annahm, es handle sich um den Sohn…

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Auferstehung

Nein meine lieben Hasen, Hühner, Lämmer und Leser – am heutigen Ostersonntag ist zwar wahrscheinlich der eine oder andere an einer Kreuzung gestorben, doch diesen bedauernswerten Osterreiseverkehrsopfern gedenken wir heute nicht. Zumindest nicht vorrangig (sic!). Wir besinnen uns vielmehr auf den großartigen König der Juden Jesus von Nazareth, kurz INRI genannt, der vom geifernden Mob und seinem schizophrenen Statthalter Pontius Pilatus ans hölzerne Kreuz genagelt wurde, wo er zunächst beschwingt Allways look on the bright side pfiff, ehe er seine Seele dem guten alten Himmelvater empfahl und – o Wunder – drei Tage später von den Toten auferstand. Der Typ war so megacool, so ein geiler Superstar, dass ihm mein talentierter Freund Andrew Lloyd sogar ein fetziges Hippie-Musical widmete. In meinem Kinderzimmer hing in den 70er Jahren ein Poster des langhaarigen und bärtigen Pink-Floyd-Gitarristen David Gilmour, von dem meine Großmutter selig stets annahm, es handle sich um den Sohn Gottes, im Vorbeigehen das Knie beugte und ein Kreuz über der geblümten Kittelschürze schlug. Ich vertrat stets die Meinung, wer maßgeblich an Meisterwerken wie The dark Side oft he Moon oder The Wall mitgewirkt hat, verdient diese Ehrenbezeugung durchaus und ließ die gläubige Oma ihr Vaterunser vor dem Pink Floyd-Poster beten. Amen.

Nun könnte die verehrte Leserschaft, die einst so dankbar am Leben des Moser teilnahm, zu dem naheliegenden Schluss kommen, ich würde das Fest der Auferstehung nutzen, um Herrn Moser in den Himmel fahren zu lassen und mit einer neuen Drama-Serie ihre Herzen zu erobern. Ich weiß, meine lieben und treuen Apostel, dass ihr nach meinen Worten dürstet. Dass ein glückseliges Hosianna! aus tausenden Kehlen erschallen würde, sollte ich am Tag der Auferstehung nicht nur das Brot mit euch, sondern auch mein Schweigen brechen.

Allein, ich kann eurem Wunsch, eurem Schrei nach Erlösung (noch) nicht Folge leisten. Ich fühle mich wie die Heilige Dreifaltigkeit von Produzent-Regisseur-Drehbuchautor des World-Blockbusters Game of Thrones, der gezwungen ist, einen ebenso beliebten und erfolgreichen Nachfolger auf den Schirm zu zaubern. Der Erfolgsdruck ist enorm, fast nicht auszuhalten. Darum verkrieche ich mich jetzt in unseren zitronengelben Liegestuhl, schäle ein blaues Ei, breche einem Schokohasen das Genick und notiere mir Ideen für den nächsten Blog in mein schwarzes Blog-Ideen-Büchlein. Und wenn es noch ein paar Wochen oder Monate bis zur Auferstehung dauert, kreuzigt mich bitte nicht gleich. Danke!

Bekanntmachung

Freunde, Leser, Mitbürger! Liebe Moser-Fans und Innen!

Versammelt euch, schweiget still und lauschet, denn ich habe euch Wichtiges und Bedeutsames zu verkünden: Herr Moser, dessen Vornamen wir nun nie erfahren werden, ist nach langen schweren Überlegungen von uns gegangen. Er starb blitzschnell und unter minimalen Schmerzen einen schwungvollen Herztod, was mit Sicherheit erfreulicher ist, als ein gemeines, schleichendes Krebsleiden. Es ist auch wesentlich ästhetischer, als nach einem Zusammenstoß mit einem rumänischen Kleinlaster mit zertrümmertem Schädel nicht mehr zu erwachen. Kurz und gut: Herr Moser ist nicht mehr, Friede seiner braven Nichtraucher-Asche. Wem dieser Umstand zu traurig ist, der schicke den agilen Abteilungsleiter in den wohlverdienten Ruhestand, schließe die Fischkonservenfabrik und verkaufe das gemütliche Reihenhäuschen mit gepflegtem Kleingarten an den Meistbietenden. It´s all over now, baby blue.

All jenen, die sich nun verwirrt den Kopf kratzen und „Huch! Wie? Moser! Was geht mit dir?“ stammeln, sei ein Blick in die Rubrik „Über diesen Blog“ empfohlen. Dort steht, seit der pfiffige Herr Moser im Juni 2016 unter WordPress-Wehen das Licht der Bloggerwelt erblickte, der nicht unwesentliche Satz: Dieser Kunstfigur wird vom Wiener Journalisten und Autor Gerry Weichselbaum Leben eingehaucht. Heißt im Klartext: Es gibt keinen Abteilungsleiter Moser, keine Fischkonservenfabrik, keinen Pfotenhauer, Cerny und keine ukrainische Putzperle Editha, und jetzt müsst ihr stark sein: Es gibt auch keine Ehefrau namens Heidi. Es entspringt alles der Fantasie eines Wiener Schreiberlings. Und wer sich niemals Gedanken über obigen Hinweis gemacht hat, den frage ich: Warum sollte man in der Bundeshauptstadt eines knochentrockenen Binnenlandes, hunderte bis tausende Kilometer vom nächsten Meeresstrand entfernt, eine fischverarbeitende Manufaktur erbauen?? Hä? Warum? Würde es Sinn machen, Tonnen toter Heringe per Schiene oder LKW durch halb Europa zu transportieren, nur damit wir ihnen hier den Kopf abhacken und sie in Konservenbüchsen quetschen? Nein. Das war mein Wink mit dem Zaunpfahl, dass man dieses Weblog nicht zu ernst nehmen sollte.

Liebe Amazon-prime-hörige Work-Life-Balancer, liebe Food-Pornografen und Vögel-Fotografen, werte Etüden-Schreiber und Bücher-Poster, nimmermüde Lebensweisheiten-Abschreiber und verrückte Kreativlinge! Viele meiner Geschichten und Beiträge waren frei erfunden, in manchen steckte ein Körnchen Wahrheit, waren aber maßlos übertrieben, und einige Geschichten haben sich tatsächlich wie erzählt zugetragen. Ebenso wie einige Figuren meines Personals 1:1 dem real life entrissen sind, andere wiederum ein reines Fantasieprodukt sind. Diese schockierende Beichte lege ich ab, weil die alltäglichen und skurrilen Geschichten aus dem Leben eines Abteilungsleiters einer Fischkonservenfabrik auserzählt sind. Alles, was jetzt noch käme, wäre ein müder Abklatsch, ein aufgewärmter Fischeintopf. Meine braven und treuen Leser haben aber Frisches, Spritziges, Neues verdient!!

Nach der schweren Entscheidung, Herrn Moser zu Grabe zu tragen, werde ich daher in nächster Zeit an Ideen und Konzepten für einen neuen Blog tüfteln, um mich irgendwann in ein paar Wochen oder Monaten wie Phönix aus der Asche des Reihenhauses zu erheben und meine treue Gefolgschaft mit witzigen Abenteuern aus ganz anderen Sphären zu  versorgen.

Wenn es soweit ist, wird es an dieser Stelle einen Hinweis und Link auf meinen neuen Blog geben – in der Hoffnung, dass mir viele Moser-Fans in das neue Kapitel meiner schreiberischen Tätigkeit folgen mögen. Bis dahin danke ich ganz herzlich und innig für eure Treue und eure wohlwollenden Kommentare, welche die 2,5 Jahre meines Daseins als Herr Moser beflügelten. Bussi!

Gerry Weichselbaum,

Autor und geistiger Vater von Herrn Moser

Vor- und Nachsätze

Wie meine halbwegs gut und halb gebildeten Leser mit Sicherheit wissen, basiert unser irdisches Dasein auf dem Prinzip von Yin und Yang. Diese Begriffe der chinesischen Philosophie stehen für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien. Licht und Schatten, Tag und Nacht, Ebbe und Flut, Hitze und Kälte, Gut und Böse, weiblich und männlich  – um nur einige Beispiele zu nennen. Oder in meinem Fall: Nichtrauchen und essen. Seit ich den Dämon Nikotin aus meinem gutbürgerlichen Reihenhausleben verbannt habe, entwickeln meine alten ausgelaugten Geschmacksknospen eine Power, die sonst höchstens bei ausgehungerten  Teenagern zu finden ist. Seit ich meine Zunge nicht mehr mit Teer und Nikotin asphaltiere, wird die Nahrungsaufnahme zu einem hocherotischen Abenteuer; das Essen beschert mir wahre Gaumenorgasmen mit Zungenaquaplaning, wobei mir aber die Zigarette danach erfreulicherweise gestohlen bleiben kann. Und so hatte ich während der zurückliegenden Feiertage phänomenalen Gruppensex mit paniertem Kabeljau, Tafelspitz, Röstkartoffeln und Semmelkren, Tiramisu, Maronischnitten und Sweet Chili Chips, um nur einige wenige meiner oralen Traumpartner namentlich zu nennen. Unser Christbaum, den mein Heidilein einst so liebevoll mit Schokoschirmen, Likörfläschchen und Windgebäck dekorierte, hat einen intensiven Strip Tease hinter sich und präsentiert sich heute nur noch halbnackt mit Lichterkette und roten Weihnachtskugeln.  Ich habe unser Bäumchen quasi „abgenagt“. Auch bei der heutigen Silvesterfeier wird es uns an nichts mangeln, dafür habe ich am Samstag mit einem Großeinkauf im Megahypersupermarkt Metro gesorgt, wo allein die Abteilung für holländischen Schnittkäse doppelt so groß ist wie unsere geliebte Bäckerei Fallnbügel. Leider machte ich den Fehler, den Silvestereinkauf nach einem relativ mageren Frühstück (1 Kardinalschnitte mit Schagobers, 2 Scheiben Toast mit Leberpastete, 2 Spiegeleier mit Speck, Kaffee) und somit hungrig anzutreten. Schwerer Fehler. Nach rund 90 Minuten fand ich mich mit zwei vollen Einkaufswägen an der Kassa wieder, berappte satte 189,50 Euro und belud den tomatenroten Spanier bis unter die Decke mit Lebensmitteln und Getränken. Heidi wollte bei meiner Heimkehr wissen, ob ich die halbe Fischkonservenfabrik zum Feiern eingeladen habe, doch ich konnte sie beruhigen: „Nein mein Täubchen, das ist alles ganz allein für uns!“

„So geht das nicht weiter“, ächzte Heidi, als sie mich gestern Nachmittag von der Couch rollte, um die inzwischen verdächtig hohen Chipskrümelberge wegzusaugen. „Du musst im neuen Jahr dringend abnehmen!“ tätschelte mir meine besorgte Ehefrau den prallen Wanst, der sich passgenau in den nagelneuen XXXL-Weihnachtspulli schmiegte. „Ich bin Nichtraucher!!“ protestierte ich leidenschaftlich. „Und du hast die Wahl“, entgegnete Heidi, „Entweder Tod durch Lungenkrebs oder du stirbst an Herverfettung, Infarkt und Schlaganfall!“ Da die Wertigkeit eines Lungenbrötchens mittlerweile stark gesunken ist und von Gulasch & Gugelhupf locker überholt wird, entschied ich mich spontan für den Tod durch Herzinfarkt. Heidi seufzte, rollte mit den Augen und mich zurück auf die frisch gesaugte Polsterbank. Ich sah den besorgten Blick meiner Gattin, strich ihr über das Haar, das im güldenen Licht der Christbaumbeleuchtung so schwarz wie das Gefieder eines jungen Raben glänzte, und sprach die bedeutungsschwangeren Worte: „Erkenne meinen guten Willen, Weib. Denn ich gelobe, mich in Zukunft ein bisschen vegetarisch zu ernähren. Auf das Fleischfondue am Silvesterabend verzichte ich natürlich nicht, aber ich lade dich heute zum Schmaus beim Asiaten ein und werde mich ausschließlich an Vegetarisches halten!“ Da staunte die beste aller Heidis nicht schlecht und schlug ein.

Ich entführte meine Frau gestern also in ein chinesisch-asiatisches Lokal namens Lucky Food, das ich vorgab nicht zu kennen, im Internet habe es aber tolle Kritiken. In Wahrheit hatte ich das Restaurant bereits Anfang Dezember zufällig während meines ausgedehnten Christmas-Shoppings entdeckt – und war begeistert. Doch davon wusste Heidi nichts. Sie stürzte zunächst die kleine, pummelige Chinesin in blauer Kunstseidenbluse mit schwarzen Kranichen in Verzweiflung, als sie ein Marillen-Pago, mit Soda auf 0,3 Liter aufgespritzt bestellte. Nach mehrmaliger Nachfrage, einer kleinen Diskussion in unverständlicher Sprache und unter Beiziehung einer weiteren Servicefachkraft, bekam sie nach knapp 10 Minuten Wartezeit schließlich ihr Pfirsich-Pago, mit Leitungswasser auf 0,5 Liter aufgespritzt. Danach studierten wir die Speisenkarte, so dick wie der neueste Stephen-King-Thriller, wobei ich nur so tat, denn ich kannte die Karte ja bereits. Und als uns schließlich die Kranich-Lady mit einem hastigen „Mochtensiebestellen!“ zum bestellen aufforderte, orderte ich laut hörbar: „Für mich bitte Vegetarisch V3! Danke“ „V3, BeefmitGemüseausdemWok, ja, bitte, danke!“ bestätigte die Kellnerin, klappte die Speisebücher mit lautem Knall zusammen und verschwand in einer Wolke aus Geschmacksverstärkern. „Hat die etwas von Beef gesagt??“ frug Heidi misstrauisch nach. „Keine Ahnung“, gab ich zurück. „Ich hab von den vegetarischen Gerichten Nummer V3 bestellt. Ich will gar nicht wissen, was da alles dabei ist. Mach ich nur dir zuliebe!“ Als schließlich mein gegrilltes Beef, angerichtet auf einem kleinen Häufchen Gemüse, serviert wurde, schien Heidi kurz die Fassung zu verlieren. „Schuft“ und „Lügner“ waren noch die harmloseren Bezeichnungen, die sie mir an den Kopf warf. Ich zuckte bedauernd mit den Schultern, bestellte nochmals die Speisekarte, zeigte ihr den Eintrag VEGETARISCH und schoss zur Sicherheit noch obiges Beweisfoto. Nur damit mich niemand einen Lügner nennt.

Ich habe Heidi aber später versprochen, im neuen Jahr mehr Gemüse zu essen. Einfach in der Hoffnung, dass Kartoffeln unter Gemüse gelistet werden. Weil ich Pommes Frites liebe und gemeinsam mit Tomatenketchup muss das ja ein wahrer Gesundbrunnen sein! Und jetzt muss ich in die Küche, das Fondue und die Bananenschnitten in Schokoguss für Silvester vorbereiten.

Ach ja, falls ich später zu faul oder zu betrunken bin: DANKE, EUCH AUCH!

Foto: Herr Moser

O du fröhliche!

Und es begab sich in den kürzlich verwichenen Dezember-Tagen, dass zahlreiche, wenn nicht sogar Dutzende Stammgäste in vorweihnachtlicher Erwartung an den Türen der literarischen Jausenstation „Zum fidelen Moser“ rüttelten, um die jüngsten Neuheiten aus der berühmten Fischkonservenfabrik und seinem nicht minder famosen Abteilungsleiter zu erhaschen. Wie ist die Stimmung in der vorbildlichen Heringsmanufaktur, zieht sich die ukrainische Putzperle Editha noch immer ihre Joints am Herrenklo rein, hat Cernys Schuppenflechte Linderung erfahren, fiel Direktor Pfotenhauers Weihnachtsbonus über die Maßen üppig aus, erstrahlt das Moser´sche Reihenhaus dank Heidis (Hin)Gabe zum Dekoratismus in vorweihnachtlich blendendem Lichterglanz, und last but not least: Hat der Wirt und Hausherr dieses erbaulich und lehrreichen Blogs Wort gehalten und dem Nikotin endgültig abgeschworen?? Ist der alte Moser noch immer clean oder sitzt er mit einem feierlichen Eierlikörchen vorm Adventskranz und pafft seine heißgeliebten Tschik? Fragen über Fragen, über die das treue Lesevolk aufgeklärt zu werden wünschte. Und wozu? Zu Recht. Ich jedoch hielt die Pforten versperrt, machte alle Schoten dicht und hüllte mich in Daunenjacke und Schweigen.

Daher nütze ich den heutigen letzten Donnerstag vor dem kommenden Christkind, um Sie liebe Leser, noch einmal hier zu begrüßen. Der Zeitpunkt erschien mir günstig: Der leichte Schneefall über Wien stimmte mich zuckrig-milde, zum anderen habe ich genau heute vor zwei Monaten meine letzte Zigarette geraucht. Ohne einen einzigen Rückfall steuere ich stolz auf das Weihnachtsfest zu und werde höchstwahrscheinlich sogar die Festivitäten zum Jahreswechsel nikotinfrei überleben. Die Abstinenz hält mich jedoch auf Trab, beschäftigt mich in allen Lebenslagen, sodass mir in den letzten Wochen keine Zeit blieb, euch ein paar Zeilen zu hinterlassen. Nun werden sich viele fragen, wie mich das Nicht-Ausüben einer Tätigkeit derart beanspruchen kann, dass sie mir Zeit nimmt anstatt zu schenken. Nun, das ist nicht leicht zu erklären. Lassen Sie es mich anhand eines Beispiels versuchen: Am 5. und 6. Dezember weilten nicht nur Krampus und Nikolo in der schönen Wienerstadt, sondern auch Sir Paul McCartney. Nach einem strategisch ausgefeilten Schlachtplan hatten Heidi und ich über Laptop, PC und Smartphone kurz nach Startschuss des Online-Verkaufs zwei Tickets ergattert, um dem historischen Konzertereignis des Ex-Beatles beizuwohnen. Kaum hatten wir die mit 12.000 Menschen restlos ausverkaufte Wiener Stadthalle betreten, wurde ich von einem handfesten Flashback zurück in die 70er Jahre gespült, wo ich als langhaariger Teenager und übereifriger Konzertbesucher die Creme de la Creme der damaligen Musikszene live erlebte. Ob Deep Purple, Pink Floyd, Carlos Santana, Alice Cooper oder Emerson, Lake & Palmer – Herr Moser war stets in den Konzerthallen der Stadt anzutreffen. Und dem damaligen Zeitgeist entsprechend wurde bei Popkonzerten selbstverständlich geraucht. Sofort als ich vor wenigen Wochen die riesige Halle betrat, sah ich vor meinem geistigen Auge die im Dunkel aufglühenden Zigaretten tausender Besucher. Natürlich war das Rauchen aus feuerpolizeilichen Gründen auch in den 70ern verboten, nur kümmerte es damals niemanden. Rauchen gehörte zu den menschlichen Grundbedürfnissen und wurde überall toleriert. Die Durchsage „Wir bitten Sie, das Rauchverbot in der Halle zu beachten!“ wurde nicht mal ignoriert. Ich wurde in einem Zeitalter und in einer Großstadt domestiziert, wo einfach immer und überall geraucht wurde – bei Fernsehdiskussionen, in Bahn, Bus und Flugzeugen, in Lokalen und Restaurants, und in allen Wohnungen (Nichtraucher mussten zum Nichtrauchen auf den Balkon). All dies blitzte in Sekundenbruchteilen als wehmütige Erinnerung in mir auf. Erinnerungen an eine tolle Zeit, an meine Jugend, an Freiheit. Und während Sir McCartney drei Stunden auf der Bühne ein unvergleichliches musikalisches Feuerwerk abbrannte, schweifte mein wehmütiger Blick immer wieder ins Publikum, auf der Suche nach den heimlich aufglimmenden Zigaretten, auf der Suche nach der Vergangenheit, dem Abenteuer der unbeschwerten Jugend. Und viele solche oder ähnliche Gedanken beschäftigten mich noch lange nach dem Konzert. Ich schwankte zwischen der Trauer vergangener Tage und dem Stolz, nach 40jähriger Raucherkarriere in einer Rauchergesellschaft den Absprung wenigstens mal gewagt zu haben. Kurz gesagt: Ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, als dass ich den Kopf für heitere Geschichten aus dem Moser´schen Alltag gehabt hätte.

Jetzt aber sage ich Danke für Ihre Treue im beinahe abgelaufenen Jahr, wünsche allen Lesern eine fröhliche Weihnachtszeit und drücken Sie mir bitte die Daumen, dass mein Wille stark bleibt! Auf in ein rauchfreies 2019!!!

Wenn der Sommer nicht mehr weit ist

„Sei ein Heiliger, ein Sünder. Gib dir alles, werde ganz.“

(Konstantin Wecker)

Sehr häufig ereilt Herrn Moser die Publikumsfrage, wie es denn um den Wahrheitsgehalt seiner launigen Geschichten bestellt sei. Natürlich lasse ich mir nicht in die Karten blicken und antworte meist sehr allgemein, so im Sinne von „Wenn ein Magier auf der Bühne ein junges Fräulein zersägt, glauben Sie dann, er könne tatsächlich zaubern?“ Was ich damit sagen will? Auch meine Wenigkeit gilt ja als Magier, als Magier der Worte. Und als solcher bediene ich mich auch der Gesetzmäßigkeiten des Showbusiness, arbeite mit Ablenkung, hübschen Assistentinnen, Überraschungseffekten, Übertreibungen, Spiegeln und doppelten Böden, um die Zuschauer (in meinem Fall die Leser) in meinen Bann zu ziehen. Mit der nackten „Wahrheit“ lockt ein langweiliger Abteilungsleiter einer Fischkonservenfabrik und Reihenhausbewohner keinen feuchten Pudel hinter der Chaiselongue hervor. Da braucht man schon ein bisschen Lametta und Trommelwirbel, there´s no business like showbusiness. Heute allerdings darf ich Ihnen von einem Vorfall erzählen, der sich genauso 1:1 zutrug. Die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe! Ein paar kleine Übertreibungen sind schmückendes Beiwerk und haben rein dekorativen Charakter.

Zu Konstantin Weckers 70. Geburtstag im Juni 2017 erschien seine Biografie „Das ganze schrecklich schöne Leben“, die so ungewöhnlich ist wie das Leben und Schaffen des bayrischen Kraftgenies. Seine Texte, Lieder und Worte haben Gewicht, und sind in Zeiten von Rechtsruck, sozialer Kälte, Turbokapitalismus und Kriegspolitik absolut notwendig. Meine geliebte Heidi, Schwiegermama Inge und ich zählen zu den Fans des Ausnahmekünstlers Wecker, dessen mutiges, wild-bewegtes und von der Muse reich geküsstes Leben wir schon bewundern, seit sie ihm 1978 den Willy daschlogn ham. Es gab also nicht viel zu überlegen, als das Cinema Paradiso in Baden bei Wien für den 29. November eine Lesung mit dem Meister höchstpersönlich ankündigte.

Gestern quetschte sich bei Einbruch der Dunkelheit das ganze schrecklich schöne Moser-Triumvirat in den tomatenroten Spanier und düste in den beschaulich-edlen Casino-Vorort im Süden von Wien. „Auf nach Konstantinopel!“ witzelte ich in Anspielung auf den heutigen Abend, doch mein kluger Gag verpuffte wirkungslos zwischen Beifahrersitz und Rückbank, da sich Heidi und Inge leidenschaftlich darüber stritten, wessen Handy über die bessere Kamera verfügt. Mein braves Weib wollte nämlich eine Biografie erwerben, Herrn Wecker signieren und diesen Akt fotografisch in Szene setzen lassen. Heidi träumte bereits seit Tagen von einem tollen Foto an der Seite von Konstantin Wecker, und bei der Autobahnausfahrt Baden erhielt unsere erfahrene Social-Media-Fotografin Inge den Zuschlag, ich war nicht einmal in die engere Wahl gekommen. Wir ließen uns von Google Maps in das beschauliche Städtchen und dort in die Nähe des Paradiso-Kinos führen, suchten in dem völlig überparkten Wiener Vorort einen legalen Parkplatz und wurden erst kurz vor Lesungsbeginn irgendwo im Nirgendwo fündig. Atemlos hetzten wir durch die Nacht, kreuz und quer durch dunkle Vorstadtgassen, vorbei an griechischen Tavernen, aus der Jukebox erklang Musik, die fremd und südlich war, immer hinter Heidi her, die sich von Gott, weiblicher Intuition und Satellitennavigation lenken ließ. Zwei Minuten, ehe der 70jährige Wecker an seinem Lesetischchen auf der Bühne Platz nahm, erreichten wir die übermäßig stark mit Wintermänteln bestückte Kinogarderobe. Es war schließlich die bisher kälteste Nacht des Jahres mit Minusgraden im zweistelligen Bereich angekündigt.

Der kluge Konstantin erfüllte unsere Erwartungen voll und ganz. Er las und erzählte aus seinem Leben, berichtete von den vielen Stationen, unter anderem von der Zeit, als er sich Peter Wacker nannte und in Softpornos mitwirkte, oder nach einer kleinen Gaunerei für sechs Monate im Zuchthaus landete. Natürlich wurde auch der Zeit, als Drogen sein Leben bestimmten, Platz eingeräumt, aber er sprach auch über viele andere wichtige Aspekte des Lebens – über Eltern, Kinder, Erziehung, Politik, Flüchtlinge, Gedichte, Prosa, Gesungenes, Gelesenes. Ganz zum Schluss gab uns der edle Herr Wecker, gänzlich unplugged, noch einen seiner großen Hits mit auf den Heimweg:

Wenn der Sommer nicht mehr weit ist
und der Himmel violett,
weiß ich, dass das meine Zeit ist,
weil die Welt dann wieder breit ist,
satt und ungeheuer fett.

Nachdem der letzte Applaus verklungen war, drängten wir uns gemeinsam mit rund 120 anderen Wecker-Fans im Vestibül rund um ein winziges Tischchen, an dem der Künstler Hof hielt und seine Werke eigenhändig unterschrieb. Überraschend schnell war meine resolute Heidi zum bayrischen Barden vorgedrungen und ließ sich „Für Frau Moser, herzlichst Konstantin Wecker“ in die Biografie kritzeln. Ein wenig überrumpelt stand Schwiegermama Inge eingekeilt in den Menschenmassen, und hielt auf der Jagd nach dem perfekten Schnappschuss von Heidi & Konsti verzweifelt ihr Handy in die Höhe. Leider versagten aufgrund der fast schon tumultartigen Umstände die normalerweise  tadellosen Fotografierkünste unserer Inge. Die sonst so sympathischen Gesichter meiner Frau und des poetischen Klavierspielers waren auf acht Fotos zu dunkel, verschwommen, Augen geschlossen, mit doofem Ausdruck grinsend. Heidi war den Tränen nahe, und auf das heftigste diskutierend zogen wir wieder durch die dunklen Badener Gassen. Allerdings achtete keiner von uns darauf, wohin wir gingen, bis ich schließlich die alles entscheidende Frage stellte: „Wo steht eigentlich das Auto??“ Schlagartig verstummte die emotionale Foto-Diskussion und wir blickten ahnungslos durch die Nacht.

„Da vorne links bei der Bäckerei sind wir vorbeigekommen!“ „Nein, da waren wir schon. Wir gehen im Kreis!“ „Wie heißt die Straße?“ „Pergerstraße“ „Nicht diese, in welcher Straße steht das Auto?“ „Keine Ahnung, hab nicht aufgepasst.“ „Ich hab Hunger!“ Vor unseren Mündern stiegen aufgeregte Atemwolken in den Nachthimmel, auf den kaltgefrorenen Nasen klingelten vorweihnachtliche Rotzglöckchen. Die Lage war hoffnungslos. Wir konnten auch niemanden um Hilfe bitten, keine Handy-App, keinen Polizisten, keinen ausländerfreundlichen Badener Gutmenschen. Niemand wusste, wo wir den tomatenroten Spanier geparkt hatten, am wenigsten wir selbst. Nachdem wir etwa 45 Minuten durch die Kleinstadt geirrt waren, brach ich an einer alten Kirchenmauer zusammen und kauerte mich vor dem kalten Wind Schutz suchend in den Torbogen. Ein vorbei hastender Mitmensch warf mir 50 Cent zu, Heidi zog mich an den erfrorenen Händen hoch und beschwor mich, nicht aufzugeben. „Nein, lasst mich hier liegen, ich falle euch nur zu Last. Erschießt mich, geht alleine weiter! Heidi, ich liebe dich!“ Schwiegermutter Inge zückte ihr Handy und machte ein Foto vom gebrochenen Abteilungsleiter, der zitternd  im Kircheneingang kauerte. Es gelang erstaunlich gut, was Heidi neuerlich an die misslungenen Wecker-Fotos denken ließ. Inge zuckte unter ihren verbalen Seitenhieben. Kurz darauf beschlossen wir, uns zu trennen. Damit wollten wir nicht nur unsere Chancen, den Wagen wiederzufinden, vergrößern, auch weiterer Streit konnte vermieden werden. Heidi bog in die Gasse links ein, die Schwiegermama schlug sich auf die rechte Seite, ich wartete bei der Kirche – nur für den Fall, dass unser rotes Auto vorbeikam. Wir versprachen uns, telefonisch in Kontakt zu bleiben.

30 Minuten später klingelte mein Handy. Meine tapfere Heidi hatte den tomatenroten Spanier ausfindig gemacht und war auf dem Weg zur Kirche. Ich hatte inzwischen 4 Euro 75 an Almosen verdient. Auf einem festlich geschmückten Platz sammelten wir Inge auf, die fleißig Weihnachtsbeleuchtung für Facebook fotografierte. Wir waren alle völlig durchgefroren, hundemüde und ausgehungert. „Gehen wir noch zum Griechen?“ frug die Schwiegermutter und zeigte auf ein noch gut beleuchtetes Lokal namens El Greco in rund 50 Metern Entfernung. Auf der Suche nach einem Parkplatz gondelten wir eine halbe Ewigkeit durch das nächtliche Baden, und als wir schließlich wieder vor dem griechischen Restaurant standen, gingen dort die Lichter aus. Mitternacht. „Ui schade, ich habe mich schon so auf ein Lamm-Souflaki mit Tzatziki gefreut“, zeigte sich Inge enttäuscht. „Hat sich jemand gemerkt, wo das Auto steht?“ frug Heidi in die Runde. Ich bin ja seit 21. Oktober rauchfrei, aber in dieser Sekunde war mein Verlangen nach einer Zigarette so groß wie nie zuvor. Stattdessen sang ich in Anlehnung an Konstantin Wecker:

Wenn der Winter nicht mehr weit ist,

und die Lippen violett,

weiß ich, dass das meine Zeit ist,

satt und ungeheuer fett.

An Tagen wie diesen

Göttergattin Heidi hatte gestern ihren Mädelsabend mit Uschimaus & CoInnen, und überließ mich der Obhut von Netflix und einer tiefgekühlten Dr. Oetker Pizza Salami Extra with filled crust. Der Rand des belegten Industriefladens war mir trotz undefinierbarer Fülle zu trocken, das eingekühlte Bier zu alkoholfrei, das richtige Bier hatte zwar die swingenden Volumensprozente, war aber nicht eingekühlt und daher zu warm. Das Abendessen konnte man durchaus als durchwachsen bezeichnen, die begleitenden Abendnachrichten vermochten meine Stimmung nicht wirklich aufzuhellen. Kurz – Strache – Kickl – FPÖVP – Spalten -Kürzen – Streichen – Stoppen – Schließen – Migration – Einwanderer – Ausländer – Flüchtlinge – Regierung – Kotzen – Würgen. Ich wechselte vom linearen Staatsfunker ORF zum internetten Streamingdienstleister Netflix, um im New York des Jahres 1896 einem perfiden Kindermörder auf die Spur zu kommen („The Alienist – Die Einkreisung“). Zur Aufmunterung holte ich mir noch ein großzügig dimensioniertes Stück der schwedischen Mandeltorte, die wir von unserem letzten Ikea-Ausflug nebst einem Sack TK-Kötbular und einem Sack Teelichter mitgebracht hatten. Just als ich es mir auf der Couch gemütlich eingerichtet hatte, Mandelsplitter und Schokostückchen aus dem linken Backenzahn fischte und furzend mein Strohwitwer-Dasein genoss, quittierte Netflix den Dienst. Daniel Brühl als ermittelnder Seelendoktor ruckelte und zuckelte roboterhaft über den Bildschirm, auch der Ton kam nur noch bruchstückhaft und zerbröselt im Reihenhauswohnzimmer an. Entnervt schleuderte ich die Fernbedienung in die nächstbeste Ecke, und zerquetschte kaltblütig die aufgescheuchte Spinne, die vor dem Angriff der Remote Control ihr Heil in der Flucht suchte. Ich schaltete den sündteuren Smart-TV ab und den Laptop ein, um unserem Bundespräsidenten eine Mail zu schreiben und die sofortige Entlassung unserer geistesgestörten Bundesregierung zu fordern. „Auch ein offenbar wahnsinnig gewordener Kapitän darf zum Wohle des Schiffes und seiner Mannschaft im Rahmen einer Meuterei seines Amtes enthoben werden. Lieber Präsi VdB, entheben Sie zum Wohle des Schiffes Österreich und seiner Passagiere den emotional unterbelichteten und machtgeilen Kapitän Kurz und seinen 1. Offizier Strache umgehend ihres Amtes, ehe das Schiff in internationalen und nationalen Gewässern mit Mann und Maus versinkt!!!!!!!!!!!“ schrieb ich, wie man anhand der Rufzeichen sehen kann, ziemlich echauffiert. Zur Beruhigung holte ich mir noch ein Stück schwedische Mandeltorte, ehe ich zu Bett ging.

Heidi war offenbar erst spätnachts von ihrem Mädelsabend zurückgekehrt und schlummerte noch selig, als ich mich heute Morgen bürofertig machte. Ich war frühstückstechnisch auf mich allein gestellt, und versuchte mich erstmals an der künstlichen Intelligenz unseres nagelneuen App-gesteuerten Super-Hightech-Kaffeeautomaten, den uns Kaffeeliebhaberin Heidi im Zuge eines sensationellen Angebotes zum „Tag des Kaffees“ geleistet hatte. Schüchtern drückte ich die On-Taste, worauf der weinrot-metallisch glänzende Würfel (The Cube) blinkend zum Leben erwachte. Kurz darauf teilte mir das beruhigend blau leuchtende Display mit: Auslauf wird gespült und schon spritzte heißes Schmutzwasser auf die chromglänzende Abtropftasse. Nervös suchte ich nach einem leeren Häferl, um es im Auslauf zu platzieren und das Spülwasser aufzufangen. Nachdem ich diese Hürde mit nur 1 kleinen Verbrennung und 1 zerbrochenen Cappuccino-Glas gemeistert hatte, stöberte ich mehrere Minuten im Menü und wählte schließlich aus etwa 25 Optionen den doppelten Espresso mit extra Milchschaum. Voller Vorfreude drückte ich auf Start, die intelligente Maschine forderte: Fülle den Wassertank! Für mich bedeutete dies zunächst: Finde den Wassertank! Dank meiner überdurchschnittlichen Intelligenz und einer gehörigen Portion Glück fand ich den gut im roten Würfel getarnten Tank und befüllte ihn. Und immer, wenn ich mich schon nahe am Genuss einer köstlich duftenden Tasse Kaffees glaubte, hatte das Display eine neue Aufgabe für mich: Leere den Kapselbehälter, Leere die Abtropftasse und setze sie ein, Schließe den Milk-Master an, Spüle den Milk-Master, Lege eine Kaffeekapsel ein, Fortsetzen? Abbrechen? Wähle. Ich wählte den Schreikrampf, stürmte ins Schlafzimmer und schrie: „Willst du einen Scheiß Kaffee? Dann spüle den Milcheimer und schieß dir eine Kapsel in die Abtropftasse! Leere den Behälter und genieß dein Getränk!!“ „Moser, was ist los??!!“ schreckte mein liebes Heidilein aus dem Schlaf. „Was los ist, willst du wissen?? Leere den Wassertank und fülle den Milk-Master, das ist los!! Kapitän Kurz spielt Schiffe versenken und Präsident Netflix sieht tatenlos zu! Systemabsturz, das ist los! Strache ahoi! Ich fahre jetzt ins Büro, schönen Tag! Mann über Bord, guten Tag!“ Und weg war ich.

In der Fischkonservenfabrik angekommen, eilte ich umgehend in die Kantine, um mir ein ausgiebiges Abteilungsleiterfrühstück zu gönnen. Der dünne Filterkaffee schmeckte nach eingeschlafenen Füßen und ich ermahnte Kantinenchefin Hilde, sich endlich einen modernen Kaffeeautomaten zuzulegen: „Euer Abwaschwasser ist ja ungenießbar! The Cube ist ein heißes Teil, der kann alles!“ raunte ich ihr zu und bestellte bei der Gelegenheit eine Leberkässemmel. Ich beobachtete das Lehrmädchen, wie sie an der Aufschnittmaschine ein erbärmlich dünnes Scheibchen Leberkäse absäbelte, und rief empört: „Was machst du da, Mädel? Des is a Leberkas und ka Salami, schneid mir ein ordentliches Stück runter – aber dalli! Die Arbeit ruft.“

Spätestens wenn ich berichte, dass ich meinem Kollegen Cerny eine gewaltige Watschn androhte, wenn er nicht sofort aufhört, seine Schnupfennase hochzuziehen, wird es dem geübten Leser dämmern: Der sonst so ruhige und besonnene Herr Moser ist ein wenig aus dem Gleichgewicht. Und ich verrate Ihnen auch, warum. Ich habe nach über 40 Jahren leidenschaftlichen Zigarettenkonsums auf ärztlichen Rat hin dem Rauchen abgeschworen. Am Samstag, den 21. Oktober 2018 um 23:58 habe ich auf der Terrasse unseres Reihenhauses meine unwiderruflich letzte Zigarette geraucht. Nach knapp 18 rauchfreien Tagen wird man also doch ein wenig übellaunig und launisch sein dürfen! Und jetzt hören Sie gefälligst auf zu grinsen, Sie Leser Sie!

Banana Joe

Der Beitrag wurde von WP verschluckt… hier noch ein Versuch!

Herr Moser: Alltägliches und Skurriles aus dem Leben des Abteilungsleiters einer Fischkonservenfabrik.

Einer der vielen nicht zu unterschätzenden Vorteile, mit meiner wundervollen Heidi verheiratet zu sein, ist ihr tiefes, von Herzen kommendes Bewusstsein für Umwelt, Gerechtigkeit und Mitmenschen. Ohne das bezaubernde Wesen an meiner Seite würde ich wie ein Hinterwäldler durch die schützenswerte Umwelt stapfen und biologische Fußabdrücke so groß wie Rübezahl hinterlassen; würde als Bücherjunkie meinen Lesestoff bedenkenlos beim internationalen Großdealer Amazon checken und zum Frühstück verzückt die picksüßen, knusprigen Zerealien von Nestlé schaufeln. Doch da ist Heidi davor. Wenn es schon mal ein Buch von Amazon sein muss, dann nur als Download auf meinen Kindle, damit wenigstens kein stinkender LKW durch die Gegend fahren muss, um Herrn Moser 380 Seiten Kriminalspannung ins Reihenhaus zu liefern. Auch für mein geliebtes Maggi erteilte mir Heidi, die den Schweizer Ausbeuterkonzern Nestlé abgrundtief verachtet, schweren Herzens eine Ausnahmegenehmigung. Im Großen und Ganzen jedoch investieren wir unsere schwer verdienten Mäuse lieber in den kleinen, lokalen…

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Banana Joe

Einer der vielen nicht zu unterschätzenden Vorteile, mit meiner wundervollen Heidi verheiratet zu sein, ist ihr tiefes, von Herzen kommendes Bewusstsein für Umwelt, Gerechtigkeit und Mitmenschen. Ohne das bezaubernde Wesen an meiner Seite würde ich wie ein Hinterwäldler durch die schützenswerte Umwelt stapfen und biologische Fußabdrücke so groß wie Rübezahl hinterlassen; würde als Bücherjunkie meinen Lesestoff bedenkenlos beim internationalen Großdealer Amazon checken und zum Frühstück verzückt die picksüßen, knusprigen Zerealien von Nestlé schaufeln. Doch da ist Heidi davor. Wenn es schon mal ein Buch von Amazon sein muss, dann nur als Download auf meinen Kindle, damit wenigstens kein stinkender LKW durch die Gegend fahren muss, um Herrn Moser 380 Seiten Kriminalspannung ins Reihenhaus zu liefern. Auch für mein geliebtes Maggi erteilte mir Heidi, die den Schweizer Ausbeuterkonzern Nestlé abgrundtief verachtet, schweren Herzens eine Ausnahmegenehmigung. Im Großen und Ganzen jedoch investieren wir unsere schwer verdienten Mäuse lieber in den kleinen, lokalen Handel anstatt in sogenannte Global Player, die dank ihrer Winkeladvokaten und Steuertricks oft weniger Abgaben an den Staat abliefern als beispielsweise unsere brave Einzelunternehmerin und Bäckersfrau Helga Fallnbügel. Außerdem schmeckt so ein handgedrechselter Striezel mit Mandelsplittern aus der Bäckerei Fallnbügel 100 bis 300 Mal besser als ein maschineller Hefezopf aus einer der vielen Industrie-Backstuben des Landes.

Wir waren daher hoch erfreut, als vor wenigen Monaten – der rekordverdächtige Hitzesommer nahm gerade so richtig Fahrt auf – unweit unserer Reihenhaussiedlung am Rande des Kundenparkplatzes und in Rufweite eines Supermarktes und eines Diskonters ein kleiner Obst- und Gemüsestand eröffnete. Unter dem schattenspendenden Schutz zweier bunter Sonnenschirme bot ein vierkantiger Türke mit schwarzem Vollbart und treuherzigen Dackelaugen kistenweise Wassermelonen, Zitronen und Erdäpfel an. Er sah aus wie der türkische Bruder von Bud Spencer, also eine Art Büd Spencer – wir nannten ihn passenderweise Banana Joe und kauften fortan Zwiebeln und Knoblauch in seinem Laden, der sich mittels weißer Schreibschrift auf grünem Metallschild schlicht als „NATUR Gemüse+Obst“ auswies. Banana Joe spricht leidlich gut Deutsch, hat bereits die leicht mieselsüchtige Art der Wiener Eingeborenen angenommen, und verbreitet mit seinem ramponierten Kassettenrecorder orientalisches Flair auf dem sonst recht langweiligen Parkplatz. Innerhalb weniger Wochen haben wir eine semiprofessionelle Freundschaft aufgebaut, die bei jedem Einkauf gewissen Ritualen folgt. Das kann man sich etwa so vorstellen:

„Guten Morgen, Herr Moser!“ „Guten Morgen, Herr Banana! Wie geht´s?“ „Wie die anderen wollen.“ „Der Erdogan hat schon wieder ein paar Journalisten eingesperrt…“ „Is Aschloch Erdogan.“ (Joe ist anders als viele seiner Landsleute gottlob kein Fan des türkischen Despoten). Nachdem wir das Thema Außenpolitik also ausführlich besprochen haben, wende ich mich der Innenpolitik zu: „Die Regierung kürzt wieder bei Ausländern, Frauen und Behinderten. Reiche zahlen dafür weniger Steuern.“ „Is Aschloch Regierung.“ Soviel zur Tagespolitik. Danach kommen wir zum geschäftlichen Teil und ich bestelle ein halbes Kilo weiße Weintrauben, kernlos, aber die guten. Herr Banana legt ein knappes Kilo auf die Waage, nickt und reicht mir die Papiertüte: „Is gute Weintrauben. Frische Paprika hamma. Gesund, Vitamin C. Ein Kilo?“ „Nein, drei Stück zum Füllen. Heidi mag keine gefüllten Paprika.“ Die Geschäftstüchtigkeit liegt den Türken im Blüt und mit sechs großen Paprikaschoten im Handgepäck zücke ich meine Geldbörse: „Wieviel?“ Um dem Gemüsehändler mit Bud-Spencer-Hintergrund einen Hauch von Heimat und Basar zu vermitteln, folgen wir einem eingespielten Feilsch-Ritual. Banana Joe streckt mir seine erdige Pranke hin und verlangt beispielsweise 4 Euro 80. Ich reiße entsetzt die Augen auf, recke die Arme zum Himmel und jammere: „Hadschihalefomarbenhadschi abulabasibnhadschidavudalgossarah!!“ Das ist der volle Name von Hadschi Halef Omar aus den Karl May-Romanen, den ich als 12-jähriger auswendig gelernt habe und der mit heute noch beim Handeln am Basar gute Dienste leistet. „Ich habe vier hungrige Mäuler zu stopfen – drei halbwüchsige Töchter und eine Heidi! Willst du mich ausrauben, mich ruinieren, du elender Dieb?! Ich gebe dir zwei Piaster und keinen Sou mehr, du Halsabschneider!“ Wir einigen uns schließlich auf drei Euro, ich drücke Joe einen Fünfer in die Hand und sage: „Stimmt so! Bis nächste Woche, Herr Banana.“ „Servus Hadschi!“

Entsprechend groß war das Entsetzen, als wir uns Anfang dieser Woche auf der Suche nach einem dekorativen Halloween-Kürbis für den Vorgarten dem Natur-Stand von Joe näherten und feststellen mussten: Geschlossen!! Die grünen Plastik-Obststeigen stapelten sich leer und nutzlos vor dem Laden, keine Tafel, die mit krakeliger Kreideschrift das Angebot von Tag verkündete. Kein Büd Spencer weit und breit. „Es hat sich für ihn wohl nicht gerechnet, die Konkurrenz der Konzerne rundherum war zu groß. Banana Joe ist pleite, Allah sei seiner Seele gnüdig!“ verkündete ich angemessen traurig und streichelte meiner umweltbewussten Heidi zärtlich übers Haar, das wie das Gefieder junger schwarzer Raben in der Herbstsonne glänzte. „Wir hätten auch unsere Sellerie bei Joe kaufen sollen“, schluchzte meine Frau verzweifelt. „Das hätte ihn auch nicht gerettet liebste Heidi“, gab ich zu bedenken. „Wir mögen beide keine Sellerie.“ „Oder wenigstens Schnittlauch!“ Meine patriotische Kämpferin war gebrochen und voller Selbstvorwürfe. „Wir haben den kleinen, tapferen Mann in den Ruin getrieben und die milliardenschweren Lebensmittelkonzerne werden mit unserem sauer verdienten Geld immer reicher.“

Tags darauf nahm ich Banana Joes Natur-Stand nochmals näher unter die Lupe. Vielleicht gab es ja einen Hinweis auf den Verbleib des braven Osmanen. Ich spähte durch die Auslage – und tatsächlich stand dahinter seine Angebotstafel, auf der in ungelenken Großbuchstaben zu lesen war: WIR HABEN AUS HOCHZEIT GRÜNDEN BIS MO 29. OKT. GESCHLOSEN. DANKE! GURKEN  1 STK 0,99,-

Erleichtert stürmte ich nach Hause, riss Heidi aus ihren trüben Gedanken, schloss sie in die Arme und verkündete Joes Rückkehr: „Der hinterlistige Ziegenbock hat geheiratet und sitzt jetzt mit seiner 400köpfigen Familie in einem Istanbuler Hinterhof und grillt eine Herde Hammel! Am Montag ist er wieder da! Lasset uns singen, tanzen und springen!“ Wir schworen uns, in Zukunft mehr Sellerie zu essen und den Vorgarten in diesem Jahr mit mindestens 25 Kürbissen zu schmücken. Welcome home, Banana Joe!

Fett & kursiv

 

Der Goldene Oktober mit seinem strahlerblauen Himmel und seinen spätsommerlichen Temperaturen trieb uns hinaus aus dem Moloch der Millionenstadt Wien, hinein in die viertgrößte Stadt Österreichs –nach Salzburg. Meine umtriebige Ehegattin Heidi hatte einen spontanen Kurzurlaub angeregt, wollte ein wenig Landluft schnuppern, raus aus dem Alltagstrott. Ich ließ mich nicht lange bitten, hatte ich in der Fischkonservenfabrik doch eifrig Überstunden gesammelt, die nun durch Zeitausgleich abgegolten werden sollten. Rasch waren im Internet ein lauschiges und mehr oder weniger leistbares Hotel in der Mozartstadt gefunden, und zwei Zugtickets der zweitbesten Klasse gebucht. Von Heidis Idee bis zur Abreise vom Hauptbahnhof vergingen keine 48 Stunden. Ich fühlte mich verwegen und abenteuerlich, und ließ mir sogleich einen passenden 48-Stunden-Bart wachsen.

Bei Kaiserwetter besuchten wir die Festung Hohensalzburg, das Schloss Hellbrunn, sowie das historische Stadtzentrum, welches seit 1996 auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO steht, bestaunten die Geburtsstätte des großartigen Komponisten Wolferl Amadeus Mozart und schlenderten händchenhaltend an keiner Konditorei vorbei, ohne die Güte der angebotenen Mehlspeisen zu kontrollieren. Des Abends setzten wir unseren kulinarischen Streifzug im hoteleigenen Restaurant fort, labten uns an Tafelspitzsülzchen auf herbstlichen Blattsalaten, Rehgulasch mit hausgemachten Spätzle und Preiselbeer-Chutney, Hirschsteak in Pfefferrahmsauce mit Prinzess-Kartöffelchen und Salzburger Nockerln. Dazu begleitete uns ein hervorragender Rotwein, dessen Name mir aus Gründen entfallen ist. Er war jedoch mild im Abgang, entwickelte im Nachhall leichte Nuss- und Maroniaromen und als ich nach einem höchst unterhaltsamen und schmackhaften Abend mit Heidi schließlich die Rechnung orderte, fanden sich darauf ganze drei Flaschen des prozentigen Tischbegleiters. „Waaas? Trütradrei Flaschn hamma gezwizwazwutschert?“ lallte ich erstaunt. „Ja, das meiste davon du!“ kicherte Heidi. Ich leerte das Glas mit einem letzten Schluck (waren da nicht auch Noten von grünem Pfeffer?), lobte das Wirtshaus und ließ mich von meiner fürsorglichen Frau aufs Zimmer führen. In fremder Umgebung und auf wackeligen Beinen verliere ich meist die Orientierung.

Ich muss zugeben, dass ich schon ein wenig angeschickert war, als mich Heidi schließlich vor Zimmer 304 behutsam abstellte. „Hier wohnen wir?“ frug ich. „Ja Moser, sei leise! Es ist schon spät!“ Mit meinem 48-Stunden-Bart fühlte ich mich so richtig martialisch-männlich, und ich hämmerte mit der Faust an die Zimmertür, laut rufend: „Aufmachen! Polizei!!“ Ob dieses sensationellen Witzes verfiel ich in einen nicht enden wollenden Lachkrampf, während Heidi versuchte, mir den Mund zuzuhalten und gleichzeitig das Hotelzimmer aufzusperren. „Bozilei! Polizei! Ei Ei!“ würgte ich zwischen ihren manikürten, nach Reh duftenden Fingern hervor. „Machen´S auf, sunst muss ich… muss ich Gewalt anwenden!“ spielte ich meine Rolle als knallharter Cop perfekt, zückte meinen Zeigefinger-Daumen-Revolver und zielte auf das Türschloss. Heidi ließ mich los, um die Schlüsselkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz zu bugsieren, und ich fiel zu Boden. Gegenüber ging die Tür von 303 einen Spaltbreit auf und eine ältere, beleibte Dame in rosafarbenem Schlafrock linste hervor. „Deckung!!“ schrie ich lauthals. „Die Killerschweine greifen an!“ Heidi schnappte mich am Hemdkragen, murmelte etwas von Entschuldigung und Tourette-Syndrom, und zerrte mich ins Zimmer. An die nachfolgenden Ereignisse fehlt mir jegliche Erinnerung, mich umfing gnädige Schwärze.

Als mich am nächsten Morgen die Salzburger Sonnenstrahlen an der Nase kitzelten und mich aus einem tiefen, traumlosen Schlaf holten, spürte ich nicht nur die Reste meines Gehirns wütend an die Schädeldecke pochen, sondern an meinem Hintern und Oberschenkeln etwas unangenehm Klebriges. Vorsichtig schlug ich die Bettdecke zurück – und erblickte auf dem Leintuch einen tellergroßen braunen Fleck von verdächtiger Konsistenz. „Heidi! Wach auf!!“ rüttelte ich heftig an der Schulter der schlafenden Gattin. Sie blinzelte mich mit einem halben Auge an und murmelte: „Moser? Was ist los?“ „Wir müssen abreisen. Sofort!!“ „Spinnst du? Warum?“ „Ich hab ins Bett geschissen!“ Heidi quiekte und hüpfte aus dem Bett wie eine aufgescheuchte Gazelle. Stumm und zitternd zeigte ich auf das braune Unglück auf dem sonst blütenweißen Laken. Meine Lebensbegleiterin durch Alltägliches und Skurriles gab mir einen Klaps auf den Feinripp-Slip und zupfte ein zerknülltes Stück Goldpapier aus dem Gummizug: „Du hast dich gestern, besoffen wie du warst, auf die Mozartkugel gelegt, die uns das Hotel als Betthupferl spendiert hat…“ Zögernd roch ich an den braunen Schleifspuren und musste Heidi erleichtert recht geben. „Tja, ich war fett (Österr. für „betrunken“) und fühle mich heute ziemlich kursiv. Lass uns heimfahren, zu Hause ist es eh am schönsten“, schlug ich kleinlaut vor. „Gut“, meinte Heidi. „Und rasier dir endlich diese dämlichen Bartstoppeln aus dem Gesicht.“