Valenfischtag

Faschingszeit ist auch Fischzeit, und speziell am Aschermittwoch werden hierzulande beim traditionellen „Heringschmaus“ mehrere Tonnen der köstlichen Meeresbewohner verschlungen. In unserer Fischmanufaktur herrscht also seit Wochen Hochbetrieb, um die Nachfrage zu befriedigen. Kein hungriger Kunde soll dieser Tage vor einem leeren Konservenregal stehen, unsere Produktionsanlagen laufen auf Hochtouren. Dies bedeutet natürlich jede Menge Stress, da auch in unserer Branche kleinere und größere Pannen vorkommen und kurzfristig für Bluthochdruck sorgen. Etwa wenn eine heiß ersehnte und dringend benötigte Heringslieferung nicht zeitgerecht eintrifft, weil der LKW vom Wintereinbruch überrascht wurde und mit umgestürztem Anhänger irgendwo am Brenner im Schnee herumkugelt.

Bei einem dampfenden Berg Spaghetti Bolognese erzählte ich meiner lieben Heidi am Freitagabend von den Sorgen und Nöten ihres Abteilungsleiters. Geduldig hörte sie meinem Vortrag zu, und nickte bei den Stichworten Aschermittwoch, Heringschmaus, Produktionsfehler, Abfüllanlage, technisches Gebrechen, Cerny, Pfotenhauer, Makrelen, Fasching und Schnauze voll mitleidig. Ich rieb gerade noch eine großzügige Portion Parmesan über die tomatige Fleischsauce, als Heidi einwarf: „Du weißt aber hoffentlich, dass am Mittwoch nicht nur Aschermittwoch, sondern auch Valentinstag ist. 14. Februar.“  Rasch ergriff ich die Hand meiner geliebten Gattin und drückte ihr ein Küsschen auf den nach Nivea duftenden Handrücken, was einen orange-roten Lippenabdruck Marke Bolognese hinterließ. „Natürlich, mein Täubchen. Der Tag der Liebenden, wie könnte ich ihn vergessen!“ Um den Valentinstag NICHT wahrzunehmen oder zu vergessen, müsste man schon auf einer einsamen Alm ohne Internet und Fernsehen leben. Auf Schritt und Tritt verfolgt mich die Werbemaschinerie, um mich mit mehr oder weniger dezenten Kaufanregungen an den 14. Februar zu erinnern. Und längst sind es nicht nur Blumen-, Süßwaren- und Schmuckhändler, die ihre Aktionen und Valentinsangebote herausposaunen, drucken, verteilen, posten und plakatieren. Es gibt ja fast kein Produkt mehr, dem nicht das Mäntelchen des Hl. Valentin umgehängt wird: Kaffee, Katzenfutter, Sekt, Schuhe, Polstermöbel, Handys und Modehäuser, um nur einen Bruchteil zu nennen, buhlen um die Gunst des liebenden Käufers.

Während Heidi die Spaghetti-Teller im Geschirrspüler verstaute, blätterte ich ein wenig in den bunten Postwurfsendungen der letzten Tage. Wie erwartet  fand ich Dutzende Angebote für verlockende Valentinsgeschenke, darunter auch eine herzförmige, schwarze Hartplastikschale prall gefüllt mit… nein, keine Pralinen oder Rosenblüten, sondern Sushi! (siehe Foto oben). Inkl. Lachs Nigiri, California Maki, Soja und Wasabi um knapp 10,- Euro. Ich liebäugelte bereits heftig mit diesem Präsent, das Aschermittwoch und Valentinstag auf so originelle Weise verband, als Adelheid aus der Küche rief: „Aber gib nicht zu viel Geld aus!“ Passt. „Hauptsache es ist romantisch!“ Verdammt. Als Frauenversteher und intimer Heidi-Kenner wusste ich natürlich, dass ein Sushi-Valentinsherz aus dem Supermarkt wenig Aussicht auf Freude und Dankbarkeit hatte. Im Gegenteil: Wenn ich nicht einen Diamantring unter dem Lachs versteckte, würde es ein Abend des eisigen Schweigens werden. Ich schlich ins Arbeitszimmer und reservierte via Internet in einem unserer besten Fischrestaurants einen Tisch für zwei für das Valentins-Heringsschmaus-Buffet. Bloß die roten Rosen darf ich nicht vergessen.

21 Kommentare zu „Valenfischtag“

  1. Lieber Herr Moser!

    Ich finde es gut, dass Sie keinen Diamantring unterm Lachs verstecken. Man stelle sich vor, Ihre Heidi würde sich versehentlich einen Zahn daran ausbeissen. Diesen Valentinstag würde sie im negativen Sinne so schnell nicht vergessen. Da geht man noch eher das Risiko ein, sich an ein paar Rosen zu stupfen. Das tut nicht so weh 🙂

    Herzliche Grüße von der fast internetlosen Alm
    Mallybeau

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  2. Ist das auch eine Folge des Klimawandels, dass die Heringe jetzt über den Brenner kommen? – Und die Rosen für die Gattin bitte wirklich nicht vergessen, denn der Valentinstag sollte Tag der Liebenden und der Blumenhändler sein. Das hat ja (Herz-)Formen angenommen!

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    1. Möglicherweise müssen die Heringe über den Brenner, damit sie ein wenig aufgewärmt werden. Sonst wären die ja saukalt um diese Jahreszeit. Und „Sau“ geht nun wirklich nicht am Aschermittwoch.
      [Der guten Ordnung halber möchte ich allerdings erwähnen, dass es sich hier um eine von Sachkenntnis gänzlich unbelastete Vermutung handelt. 😉 ]

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      1. Also, wenn etwas geeignet ist, ein Transportgut zu unterkühlen, dann der Brenner. Vor einem Jahr ließ ich mir Olivenöl aus Italien schicken. Die Flasche sah aus, als wäre sie mit einer Art Schimmelkäse gefüllt, so flockig war das im Öl enthaltene Wachs geworden. Allerdings hat dem Olivenöl das nichts geschadet und auch Heringe dürften das Abenteuer überstehen. Da auch ich von jeglicher Sachkenntnis, die Fischgründe betreffend, frei bin, habe ich vorhin mal geguckt. Tatsächlich wurde vor der Küste Tunesiens ein ungewöhnliches Heringsaufkommen entdeckt, und der Klimawandel wird dafür verantwortlich gemacht. 🙂

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        1. Es kommt da schon sehr darauf an, welche Art von Brenner man wählt. 😉
          Es entbehrt allerdings nicht einer gewissen Ironie, dass das gigantische Verkehrsaufkommen, wie es ja auch an dem im Text gemeinten Brenner zu beobachten ist, tatsächlich mit zur Klimaproblematik gehört. So gesehen heizt der Brenner tatsächlich auf. :/

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          1. Ich dachte dabei an das Modell, das Joseph Michel und Jacques Etienne Montgolfier verwandten. Dieser Brenner erhitzt zwar die Luft im Ballon, nicht aber die im Körbchen, in dem Heringe und Olivenöl bekanntlich transportiert werden. Oder nicht? Oder doch?

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            1. In Ausnahmefällen erhitzt der Brenner in einer Montgolfière mehr, als den Anwendern lieb ist. :/ Aber die Regel ist doch die, dass die Luft im Ballon heiß und im Körbchen kühl ist.
              Natürlich könnte man mit einem solchen Brenner bestimmt auch die Kälte (samt Sau) aus den aschermittwöchentlichen Heringen vertreiben. Aber ab das klug ist? Ich zweifle. Sehr. 😉

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              1. Es gab da in der Tat schon böse Unfälle, weshalb man sich genau überlegen sollte, ob man den Brenner in einer Montgolfiere mit Brenner überquert, und wenn doch, dann lieber in entgegengesetzter Richtung und Kurs auf den Vesuv. Da müsste man dann nur den Brenner so einstellen, dass die Montgolfiere im exakt richtigen Abstand über dem Krater schwebt, und man hätte die Wahl zwischen Eisbein und Bratheringen.

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                  1. Richtig, bleiben wir lieber auf dem sicheren Boden von Tischkultur und Sprache.
                    Brathering, mit Zwiebeln eingelegt zu Bratkartoffeln ist lecker.
                    Brathering, im Englischunterricht an die Wandtafel geschrieben, führt zu erstaunlichen Ausspracheergebnissen. 🙂

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