Der anatomisch korrekte Verzehr eines Grillhuhns

Reinen Gewissens und ohne Übertreibung darf ich behaupten, dass mein geliebtes Heidilein zu den größten Fans des Moser-Blogs gehört. Sobald ein neuer Beitrag das Licht des Internets erblickt, und sich die treue Gattin in meine geschliffenen Formulierungen und ausgefuchsten Pointen vertieft, erschallt ihr glucksendes, ansteckendes Lachen im ganzen Reihenhaus. Nicht so gestern, als ich die geschätzte Leserschaft augenzwinkernd über Heidis Bacterio- und Bazillophobie beim Essen informierte. Keine Reaktion. Kein Lob, kein Tadel. Nur Schweigen.

Wir saßen beim abendlichen Grillhuhn mit Potatoe Wedges und Gurkensalat, und plauderten über die Nichtigkeiten des Alltags. Allerdings schien mir Heidi dabei ein wenig einsilbig, sie war kurz angebunden und ihre Antworten kamen mit diesem gewissen schnippischen Unterton, der normalerweise nichts Gutes verheißt. Während ich den säuberlich abgenagten Knochen des Flügels an den Tellerrand legte, keimte in mir der Verdacht, dass sie mein „Leberwurst des Todes“-Beitrag innerlich verletzt haben könnte. Mit chirurgischem Feingefühl trennte ich Ober- von Unterschenkel, und schnitt dabei auch das heikle Thema an: „Hast du meinen neuen Beitrag gelesen?“ „Hmmmm?“ Mit gespieltem Desinteresse sah mich das gekränkte Heidiweib an. „Mein Beitrag, du weißt schon. Über die Leberwurstbrötchen und deine Angst vor Bakterien.“ In ihren Augen blinkte ein Tränchen, als es empört aus ihr herausbrach: „Moser, wie konntest du nur??!! Du stellst mich öffentlich als hysterische, verschrobene Alte hin! Das geht nicht, ich dachte du liebst mich?!“ Ich platzierte den Unterschenkelknochen neben dem Hühnerflügel und nahm mir die Oberkeule vor. Die Haut war sensationell knusprig. „Ach Heidi“, versuchte ich mich kauend in Demut. „Das war doch überhaupt nicht böse oder beleidigend gemeint! Ich habe doch auch meine Macken in der Geschichte erwähnt. Jeder hat sein Kreuz zu tragen…“ „Außerdem stimmt es gar nicht, dass du auf der Couch schlafen musstest! Eine glatte Lüge!“ empörte sich Adelheid. „Nach dem Joghurt-Experiment schon“, konterte ich. „Und das zweite Mal habe ich aus dramaturgischen Gründen dazu erfunden. Das nennt man künstlerische Freiheit.“ „Aber nicht auf meine Kosten! Wie steh ich jetzt da?“ Heidi redete sich immer mehr in Rage. Das zarte Fleisch von Chicken Wing und Keule hatte in meinem Hühnerfriedhof seine letzte Ruhe gefunden, und ich widmete mich dem Bruststück. „Wie DU dastehst, liebe Heidi?“ rief ich unverständlich hustend, weil die Brust wie gewöhnlich ziemlich trocken und faserig war. „DU bist die Heldin nicht nur in dieser Geschichte – nein, im ganzen Blog! Die Leser lieben und verehren dich! Sie identifizieren sich mit dir, du bist neben dem Moser-Monster ein Mensch geblieben. Ehrlich, freundlich, verständnis- und liebevoll. Erst kürzlich sagte unsere Putzfrau Editha zu mir: Ich liebe Heidi!“ Dass wir in diesem Zusammenhang über Heidi Klum und Germanys next Top-Model gesprochen habe, verschwieg ich Frau Moser. Aus dramaturgischen Gründen, versteht sich. Doch Heidi blieb störrisch. Ihr Grillhendl war nahzu unberührt, lustlos stocherte sie im Gurkensalat. „Ich will, dass du den Leberwurst-Beitrag löscht“ meinte sie schließlich gefährlich ruhig. „Löschen??“ Klappernd fiel mir das Besteck aus der Hand. „Unmöglich. Das kann ich meinen Lesern nicht antun. In unserem Land gilt die Pressefreiheit. Noch. Ich mache keinen Rückzieher. Sei ein Mann und stehe zu deiner Bakterienangst!“ „Okay“, lenkte Adelheid ein. „Dann sei auch du ein Mann und kläre deine geliebte Leserschaft über deine Macken auf!“ „Was meinst du?“ „Zum Beispiel, dass du dein Grillhuhn immer in einer bestimmten Reihenfolge isst. Und dass dir ein Abweichen von dieser Routine Übelkeit verursacht, du Spinner!“

Erklärung

Seit es halbe Grillhendln gibt, verzehre ich diese stets in einer genau festgelegten Reihenfolge, weil es die einzig logische und richtige ist.

  • Das Flügerl, auch Chicken Wing genannt. Es hat nur wenig Fleisch und ist knusprig, ist daher ein idealer Appetizer. Der Flügel verleiht Flügel und macht Lust auf mehr.
  • Die Keule a) die Unterkeule: Ist der perfekte Übergang vom Flügerl zur saftigen Keule. Quasi das Missing Link. b) die Oberkeule: Alle Geschmacksknospen und Magensäfte sind nun auf den Höhepunkt eingestimmt. Der richtige Zeitpunkt für das zarte Fleisch der Oberkeule.
  • Die Brust Der gröbste Hunger ist nun gestillt, Zeit für das etwas trockenere Bruststück. Es soll das letzte verbliebene Hungergefühl stillen, bietet aber keinen besonderen kulinarischen Hochgenuss mehr.

Ich kann diese Reihenfolge allen hungrigen Hühnerliebhabern uneingeschränkt empfehlen. Am besten natürlich BIO!

Liebste Heidi! War das in deinem Sinne, bist du wieder gut? Darf ich heute Nacht wieder in unserem Bettchen schlafen? In Liebe, Dein schrulliger Moser.

27 Kommentare zu „Der anatomisch korrekte Verzehr eines Grillhuhns“

  1. Lieber herr Moser!

    Ich kann versichern, dass ich definitiv ebenfalls Heidi-Fan bin. Und im Gegensatz zu Editha bin ich KEINESFALLS Klum-Fanin, sondern ausschließlich Ihrer besseren Hälfte zugetan. Und ich lese auch lieber von Brust und Schenkeln im Zusammenhang mit gebratenen Grillhendln, als von zickig gackernden Hühner mit schmalen Schenkeln auf dem Laufsteg 🙂

    Herzliche Grüße an die werte Heidi … und an Sie natürlich auch
    Mallybeau

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  2. also die dramaturgisch eingefügte Heidi (Klum) bereitet mir beim Lesen Kopfzerbrechen :o) … wenn schon mir, welche Auswirkungen hat dann die Erwähnung Frau Klums auf auf Frau Moser? Oje, ich seh schon, …. ich kann mich auf den nächsten Artikel froin (Nein, ich bin nicht schadenfroh, das bin ich wirklich nicht …. ) … Herzlichst, diespringerin
    PS: Also, ich bin ein echter Heidi Moser-Fan! :o)

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      1. Ich fürchte, nach dem Lesen dieses Beitrages wird die Frau Gemahlin doch wieder Bescheid wissen. Da beißt sich die Katz in den Schwanz oder der Moser ins Huhn 😉

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  3. Die geliebte Heidi macht in all den herrlichen Mosergeschichten eine gute Figur und gibt deshalb keinen Grund für Ärger….. das kann ich versichern.
    Das Huhn sieht wirklich zum anbeißen lecker aus! Aber die einzige Macke von mir dabei ist, dass ich das Brüstchen davon immer meinem Schatz gebe, weil einfach zu trockenes Fleisch für mich.
    Liebe Grüße, vor allem auch an die geliebte Gemahlin und weiter so!😄

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