Tanz auf dem Vulkan

Wie die interessierten Vulkanologen unter Ihnen sicherlich aus den Schreckensnachrichten mitbekommen haben, macht derzeit in Guatemala der Volcan de Fuego (Feuervulkan) seinem Namen alle Ehre und speit Feuer, Tod und Verderben. 1,7 Millionen Menschen sind von dem Ausbruch betroffen, Tausende mussten evakuiert werden, rund 100 Verzweifelte fanden einen grauenvollen Tod, ebenso viele gelten noch als vermisst. Jetzt mögen Sie gelangweilt abwinken und einwenden: „Warum erzählt uns der alte Fischkonservenmoser von dieser Naturkatastrophe? Es gibt so viel Leid auf dieser Welt und Guatemala ist weit weg! Wir wollen lieber ein paar humorige Schenkelklopfer über Heidi, die ukrainische Reinigungsfachkraft Editha und den wunderlichen Cerny lesen, ein paar aberwitzige Anekdoten aus dem Reihenhaus-Leben des Abteilungsleiters!“

Geliebtes Leservolk, geschätzte Freunde: Ich erwähne den verheerenden Vulkanausbruch im fernen Mittelamerika nicht ohne Grund. Denn exakt vor einem Jahr, und ich meine exakt, befand ich mich gemeinsam mit meinen Kollegen auf Einladung meines Arbeitgebers auf Incentive-Reise in Guatemala. Bemühen Sie gerne die Archivfunktion dieses Blogs und blättern Sie zurück zum Juni 2017, um meine Abenteuer nachzulesen. Freilich erscheinen der Verlust meines Reisegepäcks, mein epochaler Vortrag in knallbunter Indio-Kleidung, die Heimsuchung durch Montezumas Rache und andere kleine Vorkommnisse völlig lächerlich und irrelevant im Vergleich zu den aktuell herrschenden Zuständen in Guatemala. Bereits im Vorfeld, als unser geschäftsführendes Ehepaar Mag. Erwin und Svetlana Pfotenhauer stolz verkündete, die werte Belegschaft der Konservenfabrik zu einem teambildenden Belohnungstrip ins wilde Guatemala entführen zu wollen, äußerte ich schwere Bedenken. Nicht nur die endlos lange Flugdauer und die Möglichkeit eines Absturzes über dem unwegsamen Dschungel des ehemaligen Maya-Reiches samt drohendem Kannibalismus unter den Überlebenden malte ich mit eindrucksvollen Worten in die Köpfe der potenziellen Reiseteilnehmer, ich warnte auch vor tödlichen Infektionskrankheiten, mörderischen Insektenangriffen und einem fürchterlichen Tod durch den Ausbruch des Volcan de Fuego. Wie Sie sich vorstellen können, war ich ein einsamer Rufer in der Wüste; wurde als Spinner, Hasenfuß, als ein Teufel-an-die-Wand-Maler hingestellt.

Nun ist den hämisch grinsenden Spöttern das Lachen vergangen. Neben der Tatsache, dass unsere Kantine seit vorgestern nun täglich auch ein veganes Menü anbietet, ist der Vulkanausbruch in Guatemala das beherrschende Thema unter den Bürohengsten und –stuten. Nicht auszudenken, Gott hätte aus Langeweile bereits im Juni 2017 auf das Vulkanausbruch-Knöpfchen gedrückt und damit nicht nur hunderte guatemaltekische Leben ausgelöscht, sondern auch eine komplette Wiener Fischkonservenmanufaktur! Welch Ironie des Schicksals, wäre Herr Moser, ein gebürtiger Wiener vom Scheitel bis zur Sohle, in einem pyroklastischen Fluss (Glutlawine aus Lava, Steinbrocken und Gas) qualvoll ertrunken. Ein wahrlich unrühmliches Ende für einen echten Österreicher, der mit einem stilechten Tod durch Herzverfettung, Schlaganfall oder Lungenkrebs rechnen durfte. Und da ich aufgrund meines verlorengegangenen Koffers in bunte Indio-Landestracht gewandet war, wäre meine Asche womöglich in einem guatemaltekischen Katastrophen-Massengrab bestattet worden. Mich schaudert, auch um Heidis Willen.

Als ich heute für die Dauer von zwei Stockwerken die Aufzugskabine mit Svetlana Pfotenhauer teilte, meinte ich zu ihr: „Sollten Sie wieder eine Incentive-Reise planen, ist Guatemala diesmal hoffentlich vom Tisch!“ „Keine Sorge, Herr Moser“, gab sie zurück, „Die Umsätze Ihrer fischlosen Tofufische lassen derzeit zu wünschen übrig. An eine Belohnungsreise auf Firmenkosten ist wirklich nicht zu denken!“ „Eventuell ein kleines Wellness-Resort in der Toskana? Garantiert keine Vulkanausbrücke!“ rief ich Svetlana nach, die bereits Richtung Marketingabteilung schwebte. Doch sie tat, als würde sie mich nicht hören. Undank ist der Welt Lohn.

19 Kommentare zu „Tanz auf dem Vulkan“

  1. Lieber Herr Moser!

    Böse Zungen könnten behaupten, dass der Vulkan nun ausgebrochen ist, WEIL Sie in seiner Nähe verweilten. Doch ich denke, dass sich ein Vulkan früher oder später einfach seiner heißen Lava entledigen MUSS und dies glücklicherweise erst getan hat, NACHDEM Sie wieder wohlbehalten heimischen Boden unter den Füßen hatten. Wohlwissend, dass uns sonst einige Schenkelklopfergeschichten Ihrerseits entgangen wären. Der Vulkan scheint Ihnen wohlgesonnen 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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  2. Scheint bekanntermaßen eine gefährliche Weltecke zu sein, die man lieber nicht vielstündig anfliegen sollte, wo das wunderschöne Europa doch so nah ist…
    Dankeschön für’s Zeigen und Präsentieren…
    Liebe Morgengrüße vom Lu

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  3. Vulkanausbrüche sind ja wohl deswegen so unangenehm, weil man sie nicht vorausberechnen kann. Ich stelle mir den Tod in der heißen Lava schrecklich vor, aber Erdbeben, Feuersbrünste oder Hochwasser sind auch nicht erstrebenswert.
    Als ich den Artikel vom Juni 2017 las, grummelte es im Bauch – aber nicht Herr Montezuma, sondern die Befürchtung, dass der Koffer nicht ankommt. Die Bewertungen der Airline, mit der ich am 12.6. nach Agadir/Marokko fliege, zeigen viele solche Schicksale auf.
    Mal sehen, ob sie mir alles brav aushändigen.

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  4. Lieber Herr Moser, falls die Umsätze ihrer fischlosen Fischkonserven wieder steigen und es doch noch zu einer Reise kommen sollte, empfehle ich Ihnen Mecklenburg-Vorpommern. Hier gibt es keine Vulkane, aber wir haben herrliche Sandstrände an der Ostsee und bucht eventuell das schlechte Wetter gleich mit. Momentan haben wir allerdings Sonnenschein vom feinsten und das schon seit Wochen.

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  5. Die heiße Lava, so meine Vermutung, lässt die Fische bereits im Wasser braten, sodass sie, wieder eine Vermutung, ohne größeren Arbeitsaufwand direkt essfertig in eine Konservendose hineinverfrachtet werden könnten, sprich Bratfisch, was insgesamt zu einer Verringerung von Arbeitsschritten führt. Mich würde es wundern, wenn der pfotenhauerische Unternehmergeist NICHT Synergieeffekte wittert … und guate Guatemala Fische künftig auf Bratfisch-Basis anbietet … 😉

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